Der sonst so ruhige Joris Mathijsen wird im Saisonendspurt zum großen Motivator. Trochowski für Jansen.

Hamburg - Er ist die Besonnenheit in Person. Normalerweise. "Wenn ich mich ärgere, brauche ich nur Joris anzuschauen", hatte Ex-HSV-Kapitän Rafael van der Vaart einst gesagt - und damit die beruhigende Art seines Landsmanns angesprochen. In diesen Tagen wählt Joris Mathijsen gern mal die Steigerung von ruhig und geht wortlos an Kameras und Fragestellern vorbei. Sagt er doch mal etwas, dann meistens mit viel Adrenalin im Blut. Wie nach dem Abpfiff des Dortmund-Spiels, als er nur mit Mühe von Trainer Martin Jol vor einem nachträglichen Platzverweis bewahrt werden konnte. Und eben jetzt, vor dem ersten internationalen Halbfinale seit 26 Jahren am Donnerstag, dem Uefa-Cup-Halbfinal-Hinspiel des HSV bei Werder Bremen (20.45 Uhr/ Sat.1 und Premiere live).

"Viele junge Spieler denken sich vor und in den Spielen, dass diese Möglichkeiten noch häufiger vorkommen. Aber wenn man etwas älter wird, merkt man, dass unsere jetzige Situation einmalig ist. So eine Riesenchance bekommst du in deinem Fußballleben vielleicht gar nicht mehr. Deshalb versuche ich, alle etwas zu sensibilisieren." Dass Mathijsen, der scheinbar ruhige Mannschaftskollege, eher ein Einpeitscher ist, bestätigt auch Kapitän David Jarolim: "Joris ist nicht ruhig, er dirigiert viel und gut. Sein Wort hat Gewicht." Verteidiger Michael Gravgaard stimmt zu: "Die Abstimmung klappt dank seiner Worte gut. Er ist sehr präsent", lobt der Däne seinem Nebenmann, wohlwissend, dass es im Hinspiel in Bremen vor allem auf die HSV-Defensive ankommen wird. "Werder ist genauso anfällig in der Defensive wie gefährlich in der Offensive", sagt Gravgaard und erhält für diese Aussage ein zustimmendes Kopfnicken Mathijsens, der mit 53 Pflichtspieleinsätzen in der Saison 2008/2009 (davon fünf Länderspiele) am stärksten belastet wurde.

Trotzdem, und das wird Mathijsen nicht müde zu betonen, sei er nicht müde. "Ich kann es auch nicht mehr hören, wenn uns Müdigkeit vorgeworfen wird, dann werde ich aggressiv. Das sind Ahnungslose. Wir sind fit. In den meisten Spielen - wie auch im DFB-Pokal gegen Bremen - sind wir sogar fitter als unsere Gegner. Fakt ist: wir wollen Titel! Seit dem Pokal leider nur noch zwei."

Den Grundstein für den ersten will der 29 Jahre alte Verteidiger heute legen. Auf die eigene Offensive vertrauend, setzt er auf die perfekte Ausgangslage. "Wir wollen in erster Linie die Null hinten halten und ein Tor machen", so Mathijsen, der die nächsten Wochen mit dem ersten Uefa-Cup-Spiel sowie den Bundesliga-Partien gegen Hertha BSC am Sonntag und den nächsten zwei Begegnungen gegen Werder (7. Mai Uefa-Cup-Rückspiel, 10. Mai Bundesliga) als "alles entscheidend" bezeichnet.

Nicht dabei mitwirken kann Marcell Jansen, der weiter an einer Rippenprellung laboriert. "Es geht nicht. Fitspritzen wäre auch nicht sinnvoll - das hat das DFB-Pokalspiel gezeigt, als ich von Anfang an keine Luft bekommen habe." Für ihn wird, wie schon in Dortmund, Piotr Trochowski im linken Mittelfeld zum Einsatz kommen, der im DFB-Pokal zunächst überraschend auf der Bank hatte Platz nehmen müssen. "Das war bitter", so Trochowski, der fest von seinem Einsatz ausgeht - und sich selbst hohe Maßstäbe setzt: "Ich zähle mich zu den Spielern, die auf dem Platz Verantwortung übernehmen, auch wenn ich nicht derjenige bin, der die Spiele allein entscheiden muss", sagt Trochowski und macht zugleich den Stellenwert des Europacup-Spiels deutlich: "Das ist wahrscheinlich eins der größten Spiele meiner Karriere - logisch, dass da die Anspannung steigt." Worte, die Mathijsen nur zu gern hören wird.