Ex-Kapitän springt dem Bundestrainer allerdings zur Seite und fordert: “Er darf jetzt nicht zurücktreten.“ Magath weiß, was Löw vergessen hat zu schulen.

München. Nach dem Scheitern der Nationalmannschaft im EM-Halbfinale hält der frühere DFB-Kapitän Michael Ballack an seiner Kritik an Joachim Löw fest. Gleichzeitig aber sieht Ballack den Bundestrainer auch für die folgenden Jahre als den richtigen Mann für den wichtigsten Job im deutschen Fußball. "Er darf jetzt nicht zurücktreten. Er hat eine junge, gute Mannschaft zusammengestellt“, erklärte der 98-malige Nationalspieler in einer Kolumne unter anderem für die Münchner "tz“ (Sonnabend).

Ballack erwartet eine klare Aufarbeitung der EM. Wenn es das DFB-Team nach 2008 und 2010 jetzt wieder nicht geschafft habe, einen Titel zu holen, "fehlt irgendetwas“, erklärte Ballack und betonte: "Man darf sich die EM jetzt nicht schön reden.“ Der Ex-Kapitän fragte mit Blick auf das enttäuschende Aus: "War es richtig, dass Joachim Löw die ganze Vorrunde kaum gewechselt hat und in den entscheidenden K.o.-Spielen die Mannschaft plötzlich immer wieder erheblich verändert hat? Dadurch ging der Rhythmus verloren, Unsicherheit kam auf.“

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"Viele können es vielleicht nicht mehr hören. Aber man hat es gegen Italien gesehen: Uns fehlen Typen wie zum Beispiel Pirlo oder Buffon“, sieht Ballack als weiteren Grund für das erneute Scheitern. Sein Fazit: „Unbedingter Siegeswille und Disziplin haben uns immer ausgezeichnet. Das müssen wir wieder in die Köpfe der Spieler bekommen.“

Kritik auch von Magath

Auch Felix Magath geht mit der deutschen Nationalmannschaft nach dem EM-Aus hart ins Gericht. Für den Trainer des VfL Wolfsburg ist das Spiel schon vor dem Anpfiff entschieden gewesen. "Wer sah, wie inbrünstig die Italiener ihre Hymne sangen, ja schrien, der konnte den Willen ahnen“, schreibt Magath in seiner Abendblatt-Kolumne (Sonnabend). Diese hörbare Hingabe, diese Bereitschaft, alles geben zu wollen, habe er im deutschen Team vermisst.

Die deutsche Mannschaft hätte nach Magaths Einschätzung die Qualität gehabt, um Europameister zu werden. Die spielerische Klasse sei vorhanden gewesen, nicht aber die kämpferische. "Da fehlte mir zum Teil die richtige Einstellung, die Mentalität, die Sieger haben“, schreibt Magath. Als Beispiel dafür nennt er den zweifachen italienischen Torschützen Mario Balotelli. Der scheint nur einen Gedanken im Kopf zu haben, urteilt Magath: "Wie schieße ich ein Tor.“

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Die Italiener hätten es vorgemacht, wie man in einem EM-Halbfinale aufzutreten habe: "Zielstrebig, gierig und körperbetont - und nicht nahezu körperlos wie unsere Elf.“ Die Ursache der zum Teil blutleeren Vorstellung der deutschen Mannschaft liegt für Magath auch am Viertelfinale gegen Griechenland: "Dieser 4:2-Sieg ist überbewertet worden.“

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Löw, der wegen seiner Rotation Kritik einstecken musste, hat für Magath eine Mitschuld. Löw habe in Podolski, Gomez und Kroos gegen Italien gleich drei Spieler in die Startelf eingewechselt, die nicht gerade robustes Zweikampfverhalten auszeichnet. "Löw hat in den vergangenen Jahren auf einen intakten Mannschaftsgeist gesetzt. Andererseits hat er vernachlässigt, den Kampfgeist zu schulen“, schreibt Magath.

Mit Material von dpa und sid