Den Klassiker im Halbfinale der EURO 2012 entscheiden die Italiener durch Balotelli für sich. Der Angstgegner besiegt Deutschland mit 2:1.

Warschau. Die schwarze Serie hält, der Traum vom vierten Titelgewinn bei einer Europameisterschaft ist geplatzt. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat das Halbfinale gegen Angstgegner Italien mit 1:2 (0:2) verloren und den Einzug ins Endspiel in Kiew verpasst. Dort trifft am Sonntag nun der viermalige Weltmeister auf Titelverteidiger Spanien.

"Come sempre“ – es war wie immer – dürften die Italiener sagen. Denn auch das achte Spiel bei einer EM oder WM konnte Deutschland gegen Italien nicht gewinnen. Mario Balotelli war am Donnerstagabend in Warschau der herausragende Spieler der Azzurri. Das "enfant terrible“ entschied die Partie vor 56.000 Zuschauern im Nationalstadion schon vor der Pause. Der Stürmer von Manchester City traf einmal per Kopf (20. Minute), einmal mit einem fantastischen Schuss (38.) und hat nun drei Tore auf seinem EM-Konto. Mesut Özil betrieb mit einem verwandelten Handelfmeter in der Nachspielzeit nur noch Ergebniskosmetik (90.+2).

Vorausgegangen waren zwei krasse Fehler der DFB-Abwehr, die die internationale Klasse diesmal vermissen ließ. Einmal ließen sich Mats Hummels und Jerome Boateng von Antonio Cassano düpieren, der dann maßgerecht flanken konnte. Das zweite Mal kam Philipp Lahm - wie im verlorenen Endspiel gegen Spanien 2008 gegen Fernando Torres - viel zu spät in das Laufduell mit Balotelli. Die seit dem WM-Halbfinale anhaltende Serie von 15 Siegen in 15 Pflichtspielen ging zu Ende. Die Mannschaft bäumte sich auf, aber sie schaffte die Wende nicht mehr.

Bundestrainer Joachim Löw saß nach dem ersten Rückstand, den die Mannschaft seit dem 10. Juli 2010 in einem Pflichtspiel einstecken musste, sehr ruhig auf der Bank und schien angestrengt nachzudenken, wie er reagieren könne. Zuvor hatte er erneut mit einer auf drei Positionen umgebauten Startelf überrascht. Toni Kroos kam zu seinem ersten EM-Einsatz von Beginn an. Mario Gomez und Lukas Podolski kehrten in die Startformation zurück.

Löw setzte die beim 4:2 gegen Griechenland starken Marco Reus und Miroslav Klose sowie Andre Schürrle auf die Bank, und auch Thomas Müller musste zunächst zuschauen. "Dahinter stecken taktische Überlegungen. Wir wollen das Mittelfeld in unsere Hand bringen. Toni ist ballsicher, er kann das Spiel lesen. Er soll Zweikämpfe gewinnen und schnell in die Offensive umschalten“, sagte Löw-Assistent Hansi Flick vor dem Anstoß. Doch sein Chef korrigierte seine Personalentscheidungen in der Halbzeit, als er Klose für Gomez und Reus für Podolski einwechselte und später auch Müller noch brachte.

Eine Stammelf fand Löw irgendwie nicht bei dem Turnier. Das Team funktionierte gegen Italien zu Anfang recht gut. Hummels hatte eine große Torchance nach einem Eckstoß, den Andreas Pirlo auf der Torlinie abwehrte (5.). Andrea Barzagli fabrizierte fast ein Eigentor nach einer Hereingabe von Boateng, als Gianluigi Buffon dem Verteidiger den Ball vor die Bein schlug (12.). Kroos schoss gefährlich und zwang Buffon zu einer Faustabwehr (18.). Dann befreiten sich die Italiener. Cassano schloss eine gute Kombination ab (18.), kurz danach fiel das 0:1. Die deutsche Elf reagierte irritiert, kam dann aber zurück. Özil, der auch diesmal nicht richtig in Schwung kam, vergab aus ausgezeichneter Position (27.).

Kroos versuchte es erneut mit einem Distanzschuss, der aber am Kasten von Buffon vorbeistrich (30.). Sami Khedira, der fehlerhafter agierte als in den Spielen zuvor, zog aus 24 Metern ab, der sehr harte Schuss im Winkel forderte das ganze Können von Buffon ab (35.). Die Italiener kombinierten gefällig, die gut ausgebildeten, technisch beschlagenen Azzurri kamen aber durch einen Konter zum zweiten Treffer. Riccardo Montelivo schlug einen weiten Pass in die deutsche Hälfte, Balotelli sprintete los, Lahm ging zu zögerlich hinterher. Der Stürmer traf ins obere rechte Toreck – unhaltbar für Manuel Neuer.

Nach der Halbzeit wurde die Leistung besser, vor allem Reus machte seine Sache viel besser als Podolski. Bei seinem Klasse-Freistoß in den Torwinkel aber zeigte Buffon, der den Ball im Hechtsprung an die Latte lenkte, seine Weltklasse (62.). Letztlich gelang die Revanche für das 0:2 im WM-Halbfinale 2006 nicht. Antonio di Natale hätte das Ergebnis sogar noch höher schrauben können (82.). In der Nachspielzeit gelang Özil mit einem von Federico Balzaretti verschuldeten Handelfmeter der Anschluss. Neuer stürmte nun mit. Doch es war viel zu spät für ein Wunder.