Nach einem starken Spiel trifft die Mannschaft von Nationaltrainer Luis Aragones nun am Sonntag im EM-Endspiel auf Deutschland.

Wien. Von Luis Aragones wusste man, dass er eine tiefe Abneigung gegen die Auswärtstrikots der spanischen Nationalmannschaft pflegte. Seine Frau Pepa verriet sogar: "Luis hat nie zugelassen, dass unsere Kinder Gelb tragen."

Seit dem Halbfinale gegen Russland dürfte sich seine Farben-Allergie vermindert haben. Durch den 3:0-Erfolg gegen Russland zog Spanien in das Endspiel am Sonntag (20.45 Uhr/live in der ARD) gegen Deutschland ein, während Russlands Coach Guus Huddink auch das dritte Turnier-Halbfinale (WM 2002 mit Südkorea, WM 1998 mit den Niederlanden) verlor. Für Spanien ist es die erste Endspielteilnahme seit 1984, als man Frankreich 0:2 unterlag.

Während beim 69-jährigen Aragones ansonsten ein Mundwinkel-Zucken als Gefühlsausbruch gewertet werden kann, schrie er gestern Abend anfangs ungewöhnlich oft Anweisungen ins Spiel. Nicht nur beim Trainer war deutlich zu sehen, dass es um den Einzug ins EM-Finale ging. Auch die Spieler zeigten großen Respekt voreinander. Die Russen wollten nicht wieder so naiv wie beim 1:4 in der Gruppenphase zu Werke gehen, die Spanier hingegen waren darauf bedacht, ihre Defensivarbeit gegen das zuletzt so kreative Kollektiv mit Superstar Arschawin, der pikanterweise vor einem Wechsel zum FC Barcelona stehen soll, nicht zu vernachlässigen. Aragones ließ Marcos Senna als Absicherung vor der Abwehr agieren, wodurch Arschawin nur selten in Aktion treten konnte.

Zwar kombinierten die Spanier bei strömenden Regen in der ersten Hälfte gefälliger, doch wenn es ansatzweise gefährlich wurde, war Torwart Igor Akinfejew zur Stelle. Ansonsten blieb das nett anzuschauende spanische Kurzpassspiel wirkungslos. Bitter für die Iberer: Bei einem Freistoß zerrte sich Top-Torschütze David Villa (vier Treffer) und musste von Cesc Fabregas ersetzt werden. Aragones dürfte sich gedacht haben: Jetzt schlägt der gelbe Fluch zu. Dabei war es Ersatzmann Fabregas, der in der Folge einen großen Auftritt hinlegte.

Das Team von Guus Hiddink kombinierte nicht so schnell wie in den vorangegangenen Spielen und brauchte bis auf den guten Freistoß von Pawljutschenko (16.) eine halbe Stunde bis zu den ersten herausgespielten Torchancen, die ebenfalls Pawljutschenko vergab (31., 35.). Vielleicht ließ die junge Mannschaft auch die Chance, etwas Großes zu erreichen, vorsichtiger werden.

Mit dem gegenseitigen Abtasten war es jedoch fünf Minuten nach Wiederanpfiff vorbei. Iniesta konnten am linken Strafraumeck von Anjukow nicht am Schießen gehindert werden - Xavi Hernandez hielt gedankenschnell den Fuß dazwischen und lenkte den Ball zum 1:0 für Spanien ins Tor.

Die Führung beflügelte Aragones' Team sichtlich, trotz der schwierigen Bedingungen lief der Ball immer besser durch die Reihen, wobei Xavi und Fabregas eindrucksvoll bewiesen, dass durchaus für beide Spieler Platz im Team ist. Immer wieder tauschten die flinken, wendigen Mittelfeldspieler die Positionen, auf der rechten Seite schaltete sich häufig Sergio Ramos nach vorne ein, dessen Flanke Fernando Torres aus fünf Metern eigentlich zum 2:0 hätte verwerten müssen. Aber der Liverpool-Profi traf den Ball nur mit dem Oberschenkel (63.).

Wo blieb die Antwort, wo blieben die Künste Arschawins? Von der physischen Dominanz, der spielerischen Klasse war kaum etwas zu sehen. Die spanische Elf war Herr im Ernst-Happel-Stadion. Als Fabregas den eingewechselten Guiza wunderschön frei spielte, sorgte dieser mit dem 2:0 für die Entscheidung (73.). In der 82. Minute legte Fabregas sogar noch zum 3:0 durch David Silva auf.

Nach dem Abpfiff soll Aragones sogar gelacht haben. Und vielleicht bestätigt er ja jetzt den Wechsel zu Fenerbahce Istanbul. Die haben übrigens auch gelbe Trikots.

Russland: Akinfejew - Anjukow, Wassili Beresuzki, Ignaschewitsch, Schirkow - Semak - Syrjanow, Semschow (56. Biljaletdinow), Saenko (57. Sytschew)- Arschawin, Pawljutschenko.

Spanien: Casillas - Ramos, Marchena, Puyol, Capdevila - Iniesta, Senna, Xavi (69. Xabi Alonso), Silva - Villa (35. Fabregas), Torres (69. Guiza).

Tore: 0:1 Xavi (50.), 0:2 Guiza (73.), 0:3 Silva (82.).

Schiedsrichter: de Bleeckere (Belgien). Zuschauer: 51 428. Gelb: Schirkow, Biljaletdinow. Statistik: Torschüsse: 1/11 - Ecken: 3/4 - Fouls: 17/14 - Ballbesitz: 48/52 Prozent.