Der Bundestrainer muss auf die Tribüne, Assistent Flick übernimmt. Frings' Einsatz entscheidet sich kurzfristig.

Ascona/Zürich. Und sie haben es doch getan. Die Europäische Fußball-Union (Uefa) hat Bundestrainer Joachim Löw, der im Spiel gegen Österreich vom spanischen Schiedsrichter Mejuto Gonzalez auf die Tribüne geschickt worden war, für das heutige Viertelfinale in Basel gegen Portugal gesperrt. Die Verantwortlichen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) haben mit Unverständnis reagiert, die Partie gegen Portugal steht damit unter einem ganz besonderen Aspekt. "Das ist eine Niederlage für den Fußball", schimpfte Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff. Anstelle von Löw wird nun dessen Assistent Hans-Dieter Flick den Platz des Bundestrainers einnehmen.

Die Uefa machte dem DFB mit dem Verweis auf Artikel 70, Absatz zwei, klar: "Joachim Löw darf das Spiel nur von der Tribüne aus verfolgen. Vor und während des Spiels ist seine Anwesenheit in der Umkleidekabine, im Spielertunnel und in der technischen Zone untersagt. Weder vor noch während des Spiels darf er mit der Mannschaft in Kontakt treten." Als Begründung für die Strafe teilte die Uefa dem DFB schriftlich mit: "Gemäß dem im Spielbericht des Schiedsrichters wiedergegebenen Bericht des Vierten Offiziellen verhielten sich beide Trainer sehr nervös. In der 35. Minute kam es zu einem Wortgefecht der Trainer, in dessen Verlauf sie sich gegenseitig anschrien. Als der Vierte Offizielle die Situation beruhigen wollte, wurde er von beiden Trainern angeschrien."

Löw hatte schriftlich eine Stellungnahme an die Uefa geschickt, doch der Verband beharrte darauf. "Es besteht kein Anlass, an der Richtigkeit des Schiedsrichter-Berichts zu zweifeln, in dem ein unkorrektes Verhalten Löws beschrieben wird", schrieb die Uefa. Löws vermeintliche Schreiattacke gegen den vierten Mann und Hickersberger wurde geahndet. Der Uefa-Wortlaut: "Die Intensität dieses Verhaltens war offensichtlich derart, dass der mit der Erfahrung aus zahlreichen europäischen Profi-Ligen bestückte Schiedsrichter keinen Augenblick zögerte, Joachim Löw aus der technischen Zone zu verweisen."

Dort trafen sich Löw und der ebenfalls auf die Tribüne beorderte Hickersberger, beide Bundestrainer reichten sich die Hände. Darin aber sah die Uefa eine Art Schuldeingeständnis: "Für den im Schiedsrichter-Bericht genannten Sachverhalt spricht auch der Umstand, dass sich beide Trainer beim Verlassen der technischen Zone die Hand reichten." Diesen Händedruck wertete die Uefa als beidseitige Entschuldigung für das Anschreien.

Der "maßlos enttäuschte" Joachim Löw, der seit gestern mit der Mannschaft in Basel weilt, wollte dieses Urteil "nicht kommentieren". Das taten andere DFB-Verantwortliche für ihn. Präsident Theo Zwanziger: "Ich teile die Enttäuschung unserer sportlichen Leitung im vollen Umfang. Ich kann sehr wohl verstehen, dass sich unser Bundestrainer ungerecht behandelt fühlt. Aber wir werden dieses Uefa-Urteil akzeptieren." Sogar Luiz Felipe Scolari, der Trainer der Portugiesen, sprach sich für eine Aufhebung der Sperre aus: "Wenn ich die Uefa beeinflussen könnte, würde ich ihr sagen, sie solle die Entscheidung zurücknehmen. Joachim hat nichts Böses getan." Widerstand des DFB ist allerdings zwecklos, denn gegen Ein-Spiel-Sperren ist kein Widerspruch möglich.

Trotzdem reagierte auch DFB-Manager Bierhoff, der eine Reaktion von Uefa-Präsident Michel Platini einfordert, ziemlich frustriert: "Diese Sperre ist nicht nachvollziehbar, denn der Bundestrainer wollte einfach nur seinen Job ausüben. Ich bin aber optimistisch, dass diese Sperre unsere Mannschaft nur noch zusätzlich motiviert und sie die richtige Antwort auf dem Platz geben wird."

Bierhoff, Löw und auch DFB-Präsident Theo Zwanziger betonten, dass sie keinerlei Bedenken hätten, wenn nun Kotrainer Flick das Sagen an der Seitenlinie habe. Flick, vor drei Jahren noch Cheftrainer des damaligen Drittligaklubs Hoffenheim, stimmt sich ohnehin intensiv mit Löw ab. Ob das Duo, das während des Spiels nicht miteinander kommunizieren darf, einen geheimen Zeichencode ausgemacht hat, um wichtige Wechsel oder taktische Umstellungen abzustimmen, bleibt vorerst ihr Geheimnis.

Die Mannschaft, die von der Sperre ihres Trainers gestern kurz vor dem Mittagessen erfuhr, nahm die vorübergehende Neuordnung gelassen auf. "Ich mache mir ohnehin seit längerem darüber Gedanken, ob der Cheftrainer im modernen Fußball nicht besser auf der Tribüne aufgehoben ist, von wo er einen viel besseren Überblick hat. Das hat gegen Österreich doch ganz gut geklappt", erklärte Torwart Jens Lehmann.

Abzuwarten bleibt bis kurz vor dem Anpfiff die Startelf. Torsten Frings, der nach seinem Rippenbruch im Abschlusstraining in Tenero nur mit schmerzstillender Spritze auflaufen konnte, wird heute einem Härtetest unterzogen. Erster Ersatzmann wäre Thomas Hitzlsperger. Im Sturm bleibt die Frage, wer neben Miroslav Klose aufläuft. Wahrscheinlich bringen Löw und Flick Lukas Podolski. Der bisher dreimalige Torschütze musste wegen Wadenprobleme beim Abschlusstraining aber passen - vielleicht nur Vorsichtsmaßnahme?