Italiens 21 Jahre alter Stürmerstar ist stets für Eskapaden gut - aber ebenso für perfekte Beherrschung von Ball und Körper.

Krakau. Mal lässt er sich lachend in eindeutiger Pose mit Eckfahne zwischen den Beinen ablichten, mal liegt er gelangweilt auf der Trainingsmatte, während sich seine Kollegen mit Liegestützen quälen. Mario Balotelli ist stets für ein Foto gut. "Es gehörte schon richtig viel Mut dazu, Mario für die EM zu nominieren", hatte Nationaltrainer Cesare Prandelli vor dem Turnier gesagt - und einfach hat es ihm sein Schützling mit dem blondierten Irokesenschnitt bislang nicht gemacht.

Das war aber auch nicht zu erwarten. "Ich habe den Arsch nicht in Nutella", mit dieser kryptischen Aussage verblüffte Balotelli vor dem Viertelfinale gegen England die versammelten Medien und sogar Prandelli. Im Spiel zeigte sich der Angreifer dann zwar enorm engagiert, vergab aber Chance um Chance. Trotzdem hatte Balotelli im Elfmeterschießen den Mut, als Erster anzutreten - gegen seinen Vereinskameraden Joe Hart im Tor. Er verwandelte sicher .

Es sind Szenen wie diese, die Balotelli kennzeichnen. Er ist ein schwieriger Charakter, empfindlich und aufbrausend, bisweilen naiv, oft eigensinnig und immer unberechenbar. Aber auch ein begnadeter Fußballer mit perfekter Ball- und Körperbeherrschung, immer wandelnd auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn.

Mit 17 Jahren debütierte er in der Serie A, mit 21 Jahren spielt er beim englischen Meister Manchester City. Er ist längst Multimillionär - und immer für einen Skandal gut. Ausschweifungen mit Prostituierten, Stadtrundfahrten mit Mafiabossen in Neapel, Feuerwerkskörper, die er im Badezimmer zündete, Dartpfeile, die er auf Jugendspieler warf. All das gehört zu seiner Biografie. Er sagt, jeder, der ihn wirklich kenne, wisse, dass er kein böser Bube sei, sondern schüchtern. Balotelli hat mitunter ein sehr kindlich wirkendes Gemüt, eine Mischung aus Unreife und Trotzreaktion. Auch auf dem Feld sorgt Balotelli regelmäßig für Eklats, holt sich reihenweise Rote Karten ab, weil er seine Nerven nicht im Griff hat. Aber er zeigt auch immer wieder berauschende Leistungen, die es jedem Trainer schwer machen, auf ihn zu verzichten.

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Aber er kann seine Trainer zur Weißglut bringen. "Einer, der glaubt, der Beste der Welt zu sein, der nicht gerne arbeitet und der findet, dass alle ihm etwas schuldig sind, er aber niemandem", hatte Jose Mourinho einst bei Inter Mailand geurteilt.

In Prandelli hat Balotelli endlich einen Coach gefunden, der sich immer wieder schützend vor ihn stellt, ihn aber auch fordert und notfalls sogar auf die Bank setzt wie in der letzten Vorrundenpartie gegen Irland. Balotelli wurde eingewechselt und erzielte kurz vor Schluss das 2:0. Bei seinem wütenden Jubel - ob Richtung Fans oder Trainerbank, ist umstritten - musste ihm Mannschaftskamerad Leonardo Bonucci den Mund zuhalten. "Eine Schutzgeste", wie Prandelli lobte.

Am Donnerstag will Balotelli im Halbfinale nun Deutschland aus dem Turnier schießen. Dabei trifft er auf einen alten Bekannten aus Manchester: Jerome Boateng. Mit dem heutigen Bayernspieler hatte er auch schon mal richtig Ärger. Nach einem Zweikampf im Training gingen beide aufeinander los. Zahlreiche Fotografen haben den Vorfall dokumentiert. Balotelli ist eben immer für ein Foto gut.

Mit Material von dapd