2:0, 2:3, 4:3, 4:4 - diese Zahlen verdrehten am Ende nicht nur den Zuschauern in der ausverkauften Heimstätte von Borussia Dortmund den Kopf.

Dortmund. Rauf und runter, runter und rauf - Willkommen in der Achterbahn Westfalenstadion! Den 30. März 2012 werden mindestens 80.720 Fußballfans so schnell nicht vergessen. So viele Menschen wurden im ausverkauften Signal Iduna Park - wie die ehrwürdige Dortmunder Spielstätte offiziell heißt - Zeuge eines der denkwürdigsten Spiele der jüngeren Geschichte der Fußball-Bundesliga.

4:4 (1:0) trennten sich in einer in der Schlussphase an Dramatik kaum zu überbietenden Partie die heimische Borussia und der VfB Stuttgart. Dabei wechselte die Führung innerhalb der letzten 20 Minuten noch zweimal. Bis zur 71. Minute schien der amtierende Deutsche Meister und aktuelle Tabellenführer das Spiel beim Stand von 2:0 im Sack zu haben, doch dann schlugen die Gäste aus Baden-Württemberg binnen acht Minuten dreimal zu, ehe Dortmund in der 87. Minute wieder auf drei Punkte zusteuerte. Doch damit nicht genug: Stuttgart kam noch einmal zurück und rettete in der Nachspielzeit einen Punkt. Mit dem Unentschieden hat Dortmund seine großartige Klubrekord-Serie von nun 22 Spielen ohne Niederlage ausgebaut, aber dennoch einen Rückschlag im Meisterschaftskampf einstecken müssen.

Doch der Reihe nach: Dortmund hatte früh mehr Spielanteile und Torgelegenheiten durch Kagawa (6.) und Lewandowski (17.), bei denen Sven Ulreich hervorragend parierte. Dann war plötzlich der VfB am Zug, als Tamas Hajnal flankte, aber der heranstürmende Julian Schieber volley über den Kasten drosch (19.). Nun begann eine starke Phase der Gastgeber mit teilweise zauberhaften Kombinationen, wobei Ilkay Gündagon mit perfekten Pässen zum Angelpunkt des BVB-Spiels wurde.

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Der deutsche Nationalspieler schlug einen ideal getimten Ball auf Robert Lewandowski, der Ulreich umdribbelte, aber der zurück geeilte VfB-Kapitän Georg Niedermeier köpfte den Schuss des polnischen Torjägers von der Linie (21.). Dann legte Gündogan einen Ball ganz weich über Francisco Rodríguez Maza hinweg auf Großkreutz, der volley aus acht Metern die Latte traf (24.). Nach einem weiteren Pass des Ex-Nürnbergers Gündogan, dessen starke Form Bundestrainer Joachim Löw mit Interesse registrieren dürfte, flankte Jakub Blaszczykowski von der rechten Seite, Großkreutz verpasste aber mit dem Kopf und dann mit dem Fuß ganz knapp zu spät (30.).

Hin und her in der Schlussphase

Doch nun waren die Schwaben reif geschossen. Wieder ging eine Aktion vom türkischstämmigen Gündogan aus, der Marcel Schmelzer auf der linken Seite bediente. Der Verteidiger schlug eine sanfte Flanke in den Fünf-Meter-Raum, wo sich Sebastian Kehl gegen Kvist durchsetzte und den Ball zu Shinji Kagawa weiterleitete, der die Kugel aus fünf Metern hoch unter die Latte jagte (33.). Es war das zwölfte Saisontor des Japaners. In Halbzeit zwei stürmten die Westfalen zunächst weiter, Lukasz Piszczek traf den Pfosten (48.), danach machte sein polnischer Nationalteam-Kollege "Kuba“ Blaszczykowski das 2:0.

Doch am Ende kam der Titelverteidiger doch noch unter Druck. Zunächst hatten die Gäste Pech, als ein Schuss von William Kvist nur den Pfosten traf (63.). Dann erzielte Vedad Ibisevic nach einer Vorlage von VfB-Kapitän Georg Niedermeier den Anschlusstreffer (71.) - trotz der heftigen Signale von Trainer Jürgen Klopp, die Abwehr besser zu organisieren.

Nach zwei Toren von Julian Schieber (77./79.) standen die Schwaben schließlich dicht vor einer Sensation. Doch Mats Hummels (81.) und Ivan Perisic (87.) brachten den BVB nach dem 2:3-Rückstand wieder auf Kurs. Aber Christian Gentner entriss dem BVB schließlich mit seinem Ausgleichstor in der Nachspielzeit noch den Sieg.

Bobic: "Das geht dir das Zäpfchen ab"

"Der VfB hat ein Mörderspiel gemacht“, sagte Dortmunds Trainer Jürgen Klopp, der aber auch ein "Riesenspiel meiner Jungs" gesehen hatte. "Mit so einer Leistung gewinnen beide Mannschaften 80 Prozent der Spiele", sagte Klopp und fügte an: "Für mich ist das ein Punktgewinn. Das Unentschieden ist verdient.“ Für BVB-Torhüter Roman Weidenfeller hingegen fühlte sich der Punkt am Ende wie eine Niederlage an. VfB-Trainer Bruno Labbadia erklärte: "Für so ein Spiel lohnt es sich, Trainer zu sein. Das 0:2 war wie ein Genickschlag. Schön, dass sich die Mannschaft nicht aufgegeben hat.“ Stuttgarts Sportdirektor Frei Bobic war nach dem Spiel aus dem Häuschen: "Der geht dir das Zäpfchen ab."

DIE AKTUELLE TABELLE

Die Schwarz-Gelben sprühten wie vorigen Sonntag beim 6:1 vor Spielfreude, sie treten noch überzeugender als in der Rückserie der letzten Meistersaison auf. "Die Fans sollen sagen, wir haben Bock, die Saison soll noch 20 Wochen weitergehen“, sagte Trainer Klopp. Es ginge nicht darum, den Vorsprung an der Tabellenspitze mit ergebnisorientiertem Fußball nur zu verwalten.

Die Stuttgarter, die nach fünf Spielen ohne Niederlage mit 13 von 15 möglichen Punkten einen Rückschlag im Kampf um die Teilnahme am internationalen Geschäft hinnehmen mussten, waren letztlich der Klasse des Meisters nicht gewachsen. Und der BVB hat immer noch einen Trumpf in der Hinterhand. Bald wird Mario Götze, dessen Vertrag unter der Woche bis 2016 verlängert wurde, wieder mitwirken können.

Die Statistik

Dortmund: 1 Weidenfeller - 26 Piszczek, 4 Subotic, 15 Hummels, 29 Schmelzer - 21 Gündogan (ab 66. Bender) , 5 Kehl - 16 Blaszczykowski, 23 Kagawa (ab 81. Barrios), 19 Großkreutz (ab 84. Perisic) - 9 Lewandowski. - Trainer: Klopp

Stuttgart: 1 Ulreich - 2 Sakai, 14 Maza, 6 Niedermeier, 15 Boka (ab 61. Molinaro) - 4 Kvist, 8 Kuzmanovic - 7 Harnik, 28 Hajnal (ab 70. Gentner), 23 Schieber (ab 84. Bah) - 9 Ibisevic. - Trainer: Labbadia

Schiedsrichter: Michael Weiner (Giesen)

Zuschauer: 80.720 (ausverkauft)

Tore: 1:0 Kagawa (33.) , 2:0 Kuba (49.) , 2:1 Ibisevic (71.), 2:2 Schieber (77.) , 2:3 Schieber (79.) , 3:3 Hummels (82.) , 4:3 Perisic (87.) , 4:4 Gentner (90.)

Mit Material von sid und dapd