Zahlreiche ehemalige Profis wie Nico Patschinski, Christian Rahn oder Marius Ebbers lassen ihre Karriere in den Hamburger Amateurligen ausklingen - aus unterschiedlichsten Beweggründen.

Hamburg. Nico Patschinski hat zunächst noch etwas Wichtiges zu erledigen. „Ich möchte der C-Jugend Guten Tag sagen“, erklärt der frühere Bundesligastürmer des FC St. Pauli und eilt auf den Kunstrasenplatz am Sachsenweg. Die Jungs freuen sich. Patschinski wird vielleicht bald ihr Trainer. Wenn es seine Zeit zulässt. Vom Geld, das er bei der Torejagd für den Oberligaclub Niendorfer TSV verdient, kann er nicht leben. Also arbeitet er als Paketbote für den Express-Dienst DHL in Altona. „Ich fahre in einem schicken gelben Wagen herum und mache die Menschen glücklich“, berichtet er fröhlich. 38,5 Stunden die Woche.

Fußball ist nur noch sein Hobby. 28 Bundesliga- und 153 Zweitligaspiele hat er auf dem Buckel, für zwölf Vereine auf 14 Stationen in 20 Jahren Karriere die Knochen hingehalten. Am Millerntor besiegte Patschinski mit St. Pauli am 6. Februar 2002 Bayern München mit 2:1. Sein Treffer zum 2:0 half vor 21.000 vollkommen euphorischen Fans mit, den Mythos vom „Weltpokalsiegerbesieger“ zu schaffen. An diesem Freitag um 19.30 Uhr läuft Patschinski am Sülldorfer Kirchenweg im Stadion Waldesruh auf. Sein Niendorfer TSV gastiert in der Oberliga Hamburg bei der SV Blankenese. Vielleicht kommen 200 Zuschauer.

Ebenfalls im Niendorfer Team steht dann auch der ehemalige HSV-Profi Alexander Laas, der zu Saisonbeginn zu seinem Jugendverein NTSV zurückgekehrt ist. Der frühere Sportchef der Rothosen, Bastian Reinhardt, steht als Trainer an der Seitenlinie. Doch nicht nur in Niendorf kicken bekannte Ex-Stars statt in vollen Stadien auf Bezirkssportplätzen. Die aktuell prominentesten Amateurfußballspieler in Hamburg heißen Fabio Morena (HSV II, Regionalliga Nord), Christian Rahn (St. Pauli II, Regionalliga Nord) und Marius Ebbers (VfL 93, Landesliga Hammonia). Im zarten Alter von 49 Jahren brachte in der vergangenen Saison Claus Reitmaier im Kasten von Halstenbek-Rellingen die Stürmer in der Oberliga Hamburg mit starken Paraden in Serie zur Verzweiflung.

Schon Anfang der 80er-Jahre lockte der Hummelsbütteler SV gegen Bares eine illustre Schar früherer HSV-Größen wie Georg Volkert, Horst Blankenburg und Peter Hidien in seine Mannschaft. Sie sorgten fast für den Durchmarsch in die Zweite Liga – bis 1986 kein Geld für die Stars mehr da war. HSV-Torwartlegende Uli Stein gab im Jahr 2000 mit 45 Jahren gegen den Eichholzer SV (3:1) sein Comeback im Tor des VfL Pinneberg. Er hatte es Manager Detlef Kebbe für den Notfall versprochen.

„Fans in Blankenese sind mehr wert“

Aber warum tun sich der 37 Jahre alte Patschinski und die anderen das an? Sicher spielen Geld oder eine Einstiegsmöglichkeit in einen „bürgerlichen Beruf“ eine Rolle, doch Patschinski findet die Frage nicht ganz passend. „Die Fans, die morgen in Blankenese sind, sind vielleicht sogar mehr wert als die, die auf der großen Welle reiten. Statt auf Sky die Bundesliga, schauen sie sich ihren Amateurverein an. Für diese Leute strenge ich mich genauso an wie für 80.000 Menschen in einem ausverkauften Stadion.“

Geld sei nicht sein Hauptmotiv, obwohl er durch einige Fehler wie das Zocken in Kasinos einige Rücklagen aufgebraucht habe. „Ich spiele jetzt hier Fußball, weil ich in Niendorf wohne und es mir Freude macht“, betont Patschinski. Dafür quälte er sich im letzten Jahr sogar nach einem Schien- und Wadenbeinbruch plus Kreuzbandanriss durch die Reha. Verletzungen, die er bei seiner letzten Station BFC Dynamo Berlin erlitten hatte. Seinem Mitspieler Laas half der NTSV auf der Suche nach einer Lehrstelle als Bankkaufmann.

„Man muss jeden Fall individuell betrachten“, sagt Fabio Morena. Es gebe viele Gründe, warum Profis ein paar Ligen tiefer spielen würden. Bei seinem von einigen St.-Pauli-Fans kritisch gesehenen Wechsel von Sandhausen zum HSV II spielte die berufliche Planung eine entscheidende Rolle. „Ich sehe meine Zukunft als Trainer oder Manager, und meine Erwartungen sind voll erfüllt worden. Ich bin als Führungsspieler ein Fixpunkt für die jungen Spieler hier, kann Erfahrungen weitergeben und lerne bei einem renommierten Verein eine Menge dazu.“

Ähnlich argumentiert Rahn, der kürzlich die A-Lizenz bestand und irgendwann „in den Trainerbereich bei St. Pauli einsteigen“ möchte. Sein berufliches Standbein bereits aufgebaut hat sich Ebbers mit seinem Klamottenladen auf der Schanze. Als Grund für den Wechsel zum VfL 93 nannte er „den schönen Platz, meinen Bock auf Fußball und die vielen mir bekannten Mitspieler. Außerdem“, so Ebbers etwas derbe, „fühlt es sich geil an, wenn man nach einem Spiel so im Arsch ist.“ Bleibt nur noch die Frage nach dem würdigen Abgang. Die prominenten Spieler wollen noch kein Datum nennen – aber Patschinskis Meinung würden sie wohl alle unterschreiben: „Wenn ich vorwärts laufe und die anderen mich im Rückwärtsgang überholen, höre ich auf.“