368 Tage nach den Krawallen beim Hallenfußballturnier in Alsterdorf trifft sich in der kommenden Woche eine Arbeitsgruppe.

Hamburg. Peter Sander hat in diesen Tagen wenig Zeit. Der 59-Jährige führt viele Gespräche, trifft Absprachen, organisiert und bereitet vor. Sander kennt das. Seit 25 Jahren bedeutet die Zeit um den Jahreswechsel für ihn Hochsaison. Und doch ist es 2013 anders als sonst. Sander kümmert sich um das Spitzenspiel der Tischtennis-Bundesliga. Am 12. Januar treffen Düsseldorf und Bremen in Poppenbüttel aufeinander. Eine neue Erfahrung auch für Sander, der bislang das traditionelle internationale Hallenfußballturnier in der Sporthalle betreut hatte.

Doch der Budenzauber ist Geschichte, nachdem die 26. Auflage 2012 in der Sporthalle Hamburg aus dem Ruder gelaufen war. 73 Personen waren in Gewahrsam, vier festgenommen worden. 90 Verletzte und 27 Sachschäden standen am Ende einer Gewaltspirale, für die sich Fans des VfB Lübeck, des FC St. Pauli und die Polizei gegenseitig als Täter identifizierten, sich selbst, jeder für sich, aber in die Opferrolle begaben. Eine emotionale Debatte schloss sich damals an. Es gab eilig einberufene runde Tische, Arbeitskreise, Ermittlungen, Stellungnahmen und ein unabhängiges Gutachten. "Alle Vorwürfe werden aufgearbeitet", hatte Innensenator Michael Neumann (SPD) im Anschluss an den Krisengipfel im Rathaus versprochen. Sonntag jähren sich die Krawalle zum ersten Mal. Was ist seitdem passiert?

Das Turnier gibt es nicht mehr, auch die Organisatoren stehen mittlerweile vor dem Aus. Über der Sport Peterson Event GmbH wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Auf 90.000 Euro beziffert Geschäftsführer Sander den finanziellen Schaden, den das abgebrochene Turnier hinterlassen habe. Sponsoren, Mannschaften und Zuschauer hätten sich zwar sehr kooperativ verhalten, "aber ich hätte mir gewünscht, dass die Sache mit dem HSV anders abgelaufen wäre. Das war absolut enttäuschend", sagt Sander. Ein von HSV-Chef Carl Jarchow ursprünglich für das Frühjahr 2012 angebotene und dann mehrfach verschobene Benefizspiel sei bis heute nicht zustande gekommen, ärgert sich Sander. Statt der überlebenswichtigen Zusatzeinnahme von 30.000 Euro wartet nun die Insolvenz.

Eine andere Bankrotterklärung erhält als Antwort, wer nach konkreten sicherheitspolitischen Konsequenzen fragt. Zwar tagt der Öffentliche Ausschuss für Sport und Sicherheit (ÖASS) seit Januar 2012 quartalsweise unter Federführung des Sportamts, doch die Teilnehmer aus Verbänden, Vereinen, Fanprojekten, Bezirksämtern, Verkehrsbetrieben, Polizei und Feuerwehr konnten bislang nur ein Ergebnis präsentieren: einen Unterausschuss. Im September wurde eine "Arbeitsgruppe Aufarbeitung Schweinske-Cup" gebildet. Ende November trat sie zusammen. Zeugenaussagen wurden studiert, Protokolle gelesen. 368 Tage nach den Vorfällen von Alsterdorf, will man sich am 9. Januar 2013 nun erstmals konkret mit der Aufarbeitung befassen.

"Man sollte nicht aktionistisch sein", findet Frank Reschreiter, Sprecher der Innenbehörde, "wir dürfen den Ermittlungen nicht vorgreifen." Tatsächlich laufen noch Verfahren gegen mehrere Personen wegen Landfriedensbruch, unter anderem gegen einen 32-Jährigen und einen 50-Jährigen. Sie werden beschuldigt, Polizisten angegriffen zu haben. Die mutmaßlichen Randalierer wiederum beschuldigen die Polizisten, sie attackiert zu haben. Die Dienststelle Interne Ermittlungen ist den Vorwürfen nachgegangen. Beide Verfahren sind offen. Die Schuldfrage wird wohl nie geklärt werden, wie auch ÖASS-Mitglied und Karsten Marschner, Geschäftsführer des Hamburger Fußballverbandes, befürchtet: "Wenn man im Hinterkopf hat, was es da an gegenseitigen Vorwürfen gab, wird die Aufgabe nicht einfach."