Die Deutsche Fußball-Liga verabschiedet das bei den Anhängern umstrittene 16-Punkte-Papier. Fans kündigen neuen Widerstand an.

Frankfurt am Main. Wie stark die Macht der Fans ausfallen kann, bekamen die Funktionäre noch einmal unmittelbar vor ihrem Treffen zu spüren. 500 Anhänger aus der ganzen Republik hatten sich in den Morgenstunden vor dem Hotel Sheraton Congress in Frankfurt am Main eingefunden, um ein letztes Mal vor der wegweisenden Sitzung der Deutschen Fußball-Liga (DFL) gemeinsam Flagge zu zeigen. Fans aus Dresden, Hamburg, Hannover und Frankfurt waren leicht an ihren Mützen auszumachen, als kurz nach elf Uhr die Abstimmung der Ligavertreter über das umstrittene Konzept "Sicheres Stadionerlebnis" begann.

Manch einer allerdings zeigte sich verwundert über die für einen Mittwochmorgen ungewöhnlich große Anhängerschar. "Ist hier was Schlimmes passiert?", fragte eine Frau, die aus der S-Bahn gestiegen war und sich nun wunderte über die 500 Fans und ein nicht minder beeindruckendes Aufgebot der Polizei. "Was ist denn da los?" Die Dame konnte beruhigt werden, es handele sich nur um Fußball, wurde ihr zugerufen. Sie zog dann rasch ab.

Im Gegensatz zu den Fans, die trotz bitterer Kälte vor dem Hotel ausharrten und schließlich gespannt der für den Nachmittag angesagten Ergebnisverkündung entgegenblickten. Einige hatten sogar noch die Hoffnung, allein durch das Erscheinen Einfluss nehmen zu können. "Wir wollen Präsenz zeigen in der Hoffnung, dass wir in irgendeiner Form in diesen Dialog eingebunden werden", sagte etwa Johannes Liebnau, Mitglied der HSV-Fanorganisation Chosen Few (siehe Bericht unten).

Dazu allerdings kam es nicht mehr. Knapp eine Stunde später als vorgesehen und dem Fanauflauf vor dem Hotel zum Trotz verkündete die DFL die Ergebnisse ihrer Sitzung. Die Vollversammlung, bestehend aus Vertretern der 36 Profiklubs der Ersten und Zweiten Bundesliga, verabschiedete das Sicherheitskonzept mit großer Mehrheit in allen 16 Punkten.

Der Vorstoß von fünf Vereinen, die Verabschiedung aufzuschieben, fand keine Mehrheit - womit angeblich auch ein befürchtetes Eingreifen der Politik abgewendet wurde. Innenminister von Bund und Ländern hatten die DFL und den Deutschen Fußball-Bund (DFB) sowie die Vereine aufgefordert, nach vermehrten Ausschreitungen in den Arenen zu einer Entscheidung in der Debatte um mehr Sicherheit in den Stadien zu kommen. "Der professionelle Fußball ist als Gewinner aus dieser Veranstaltung hervorgegangen", sagte Ligaverbandspräsident Reinhard Rauball. "Es ist eine gute Nachricht, dass der Ligaverband in der Lage ist, seine Hausaufgaben zu machen. Wir können allen Fans versichern, dass die Beschlüsse helfen, die Fußballkultur in Deutschland zu schützen."

Im Kampf um mehr Sicherheit für Stadionbesucher und die Wahrung der Fan- und Fußballkultur ging es in dem Konzeptpapier vor allem um zwei wesentliche Streitpunkte. Die Verbesserung der Einlasskontrollen darf nach einer Modifizierung des entsprechenden Antrags Nummer 8 demnach nicht in den von einigen Fans befürchteten willkürlichen Ganzkörperkontrollen münden, sondern soll nach den Worten von Vizepräsident Peter Peters "sicher, zügig und angemessen" durchgeführt werden.

Auch die Einstufung von sogenannten Risikospielen und damit verbundene Maßnahmen hinsichtlich der eingeschränkten Ticketvergabe an Auswärtsfans müsse von den Klubs beim Verband gut begründet werden. "Die Beschlüsse sind Leitplanken, in denen jeder Klub nach seinen Bedürfnissen alles so gestalten kann, wie es sinnvoll ist", sagte Rauball. Die 16 verabschiedeten Anträge seien kein Beschluss gegen die Fans, sondern eine Entscheidung für die Zukunft des Fußballs.

Das Konzept wird vorbehaltlich der Zustimmung durch den DFB zur Saison 2013/2014 in Kraft treten. Es beinhaltet weitere wichtige Beschlüsse wie die Schulung von im Stadion tätigen Ordnungsdiensten, die Bereitschaft der Klubs, mit Vertretern ihrer organisierten Fanszene "einen offenen, regelmäßigen und verbindlichen Dialog zu etablieren", und mehr Kompetenzen für die Polizei bei der Videoüberwachung im Stadion.

Während die Fans draußen vor dem Hotel die Verabschiedung des Maßnahmenkatalogs mit dem Zünden einiger Böller quittierten, zeigten sich Verbandsvertreter erleichtert über die Verabschiedung des Sicherheitskonzepts durch die DFL-Vollversammlung. "Dass die deutliche Mehrheit der Lizenzvereine Geschlossenheit demonstriert und für das Sicherheitskonzept gestimmt hat, ist ein wichtiges Zeichen für den gesamten Fußball und die überwältigende Mehrheit der friedlichen Fans in Deutschland", sagte zum Beispiel DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. "Wir brauchen den Dialog zwischen allen Beteiligten, aber auch einheitliche Leitplanken, an denen sich alle orientieren können."

DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock, der auch an der DFL-Versammlung in Frankfurt teilgenommen hatte, lobte das klare Votum. "Nach den vielen Diskussionen der vergangenen Monate ist diese Entscheidung ein wichtiger Schritt, der hoffentlich weiter zur Versachlichung dieser Thematik beiträgt. Wichtig ist nun, dass alle Vereine die beschlossenen Maßnahmen konsequent und im Dialog mit ihren Fans umsetzen", erklärte Sandrock.

Dass es dabei allerdings tatsächlich konfliktfrei bleibt, erscheint weiterhin äußerst zweifelhaft. Die Fanorganisation "12:12" jedenfalls drohte nach dem gestrigen Beschluss mit weiteren Protesten. "Das Ergebnis ist sehr unschön. Ich gehe davon aus, dass es neue Proteste geben wird", zeigte sich Philipp Markhardt, Sprecher der Organisation Pro Fans und der Aktion "12:12 - Ohne Stimme keine Stimmung", enttäuscht.

Laut Markhardt könnten sich neue Stimmungsboykotte oder andere Aktionen "auch bis in den März hineinziehen". Allerdings sei noch nichts "in trockenen Tüchern". Die Anhänger würden nun abwarten, wie sich die DFL und die Vereine in der Umsetzung verhalten. "Wenn die DFL sagt, nach uns die Sintflut, wäre das das komplett falsche Zeichen", sagte Markhardt.

Zuletzt hatten sich die organisierten Fans in den Stadien der beiden Bundesligen schon auf ungewöhnliche Weise Respekt erworben. Im Hinblick auf die am 12. Dezember angesetzte DFL-Sitzung hatten die Anhänger bei Spielen zwölf Minuten und zwölf Sekunden lang die Unterstützung verweigert und sich erst danach jeweils lautstark zu Wort gemeldet.