Die 36 Erst- und Zweitligisten stecken in der Zwickmühle zwischen Politik und Fans. Innenminister Friedrich fordert ein klares Bekenntnis.

Berlin. Der Innenminister persönlich greift die Vereine an, die Verbände zittern der richtungweisenden Entscheidung entgegen: 48 Stunden vor der brisanten Abstimmung über das Sicherheitskonzept der Deutschen Fußball Liga (DFL) hat Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich den Druck nochmals deutlich erhöht und einigen Klubs sogar Gleichgültigkeit gegenüber Gewalt in den Stadien vorgeworfen.

„Das Problem ist, dass einige Vereine das Thema nicht ernst nehmen. Sie haben eine Verantwortung, für die Sicherheit der Zuschauer im Stadion zu sorgen. Es kann nicht sein, dass einige Vereine sagen: Gewalt im Fußball? Nie gehört!“, sagte Friedrich „Sport Bild Plus”.

Der CSU-Politiker nahm die Klubs darüber hinaus in die Pflicht. Mit der Verabschiedung des Sicherheitskonzeptes am Mittwoch bei der DFL-Vollversammlung in Frankfurt am Main könnten sie zeigen, dass sie das Heft des Handelns in ihren Händen behalten wollen. „Ich erwarte, dass die Vereine und Verbände nach der kontrovers geführten Diskussion ihre Geschlossenheit demonstrieren“, sagte der 55-Jährige. Zuvor hatten seine Länderkollegen mit weitreichenden Konsequenzen gedroht, falls die Liga nicht zu einem Konsens komme. Liga-Chef Reinhard Rauball hatte zuletzt sogar die Autonomie des Fußballs bedroht gesehen. Rauball, zugleich Präsident von Meister Borussia Dortmund, erklärte in der „Bild-Zeitung”: „Der Ligaverband steht vor einer Weggabelung. Ich sehe die Abstimmung auf einer Ebene mit einem TV-Vertrag oder der 50+1-Frage. Es geht um die Frage: Können die Profi-Klubs ihre Hausaufgaben eigenverantwortlich machen und anschließend auch entsprechend selbstbewusst gegenüber Politik und Polizei auftreten?” Er sei jedenfalls froh, dass die meisten Vereine das erkannt hätten.

Am Mittwoch steht bei der DFL-Mitgliederversammlung der 36 Profivereine der 1. und 2. Liga in Frankfurt/Main das Konzept „Sicheres Stadionerlebnis“ zur Abstimmung. Sollten die Vereine dies ablehnen, sei eine Beteiligung an den Kosten für Polizeieinsätze unumgänglich, hatten die Innenminister deutlich gemacht. Für diese Drohkulisse weht den Politikern allerdings heftiger Gegenwind ins Gesicht. Vor allem die Forderung nach einer Kostenübernahme der Profivereine für Polizeieinsätze wird heftig kritisiert. Auch von der Polizei selbst. „Wenn man das umsetzt, dann gilt das auch für jedes Weinfest, jedes Schützenfest - und auch für den CDU/CSU-Parteitag“, sagte Bernhard Witthaut, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Zudem sei die Forderung rechtlich „sehr, sehr schwierig“ umzusetzen. „Ein Großteil der Randale findet sowieso beim An- und Abmarsch statt“, sagte Witthaut.

Noch deutlicher wurde die Arbeitsgemeinschaft Fananwälte. Der Zusammenschluss von Juristen, die regelmäßig Fußball-Anhänger vertritt, bezeichnete das Ansinnen der Politiker sogar als verfassungswidrig. Eine solche Forderung stelle „eine Missachtung des Grundgesetzes” dar. „Polizeikosten hat der Staat zu tragen, ansonsten wäre das Gewaltmonopol des Staates nicht zu rechtfertigen”, hieß es in einer Mitteilung.

Bei der Koordinierungsstelle Fanprojekte (KOS) denkt man dagegen bereits über den emotional aufgeladenen Mittwoch hinaus. „Wir erwarten, dass der Prozess des intensiven Dialogs mit den Fans auf lokaler und übergeordneter Ebene fortgesetzt wird”, sagte KOS-Leister Michael Gabriel. „Die intensiven Gespräche haben bereits dazu beigetragen, dass sich das Papier deutlich verbessert hat. Dieser Weg muss weitergegangen werden.”

Gabriel betonte, dass vor allem die konkrete Umsetzung des Konzepts die Wahrnehmung bei den Fans beeinflussen wird. „Letztendlich wird nicht das Papier ausschlaggebend sein, sondern wie die Fans vor und in den Stadion behandelt werden. Es ist ein großer Vertrauensverlust zwischen Fans und Vereinen zu konstatieren”, sagte Gabriel. Er betonte zudem, dass die Annahme des Sicherheitskonzeptes Grundlage für eine engere Zusammenarbeit sei. „Wenn die Mehrheit der Anträge angenommen wird, wird das den Druck der Politik hoffentlich etwas rausnehmen und der Fußball mehr Handlungsspielraum bekommen, den Weg des Dialogs mit der Fanszene weiter zu gehen.”

Der Vorstandsvorsitzende des Hamburger SV, Carl-Edgar Jarchow, hat bereits angekündigt, für eine Verschiebung der Abstimmung zu kämpfen. Weitere Vereine wie Zweitligist FC St. Pauli wollen das Maßnahmenpaket ganz ablehnen.