Hamburg. Serge Aubin spricht vor dem Freitag-Heimspiel gegen die Krefeld Pinguine über seinen Reifeprozess im zweiten Jahr als Cheftrainer der Freezers.

Die Spielpause in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL), die für die Hamburg Freezers an diesem Freitag (19.30 Uhr, Barclaycard Arena) mit einem Heimspiel gegen die Krefeld Pinguine endet, war für Serge Aubin mitnichten eine Phase der Entspannung. Der 40 Jahre alte Cheftrainer der Freezers sammelte beim Deutschland-Cup in Augsburg Erfahrungen als Assistent des neuen Bundestrainers Marco Sturm. „Das war eine riesige Ehre, die ich nicht erwartet hatte“, sagt der Frankokanadier, der in seinem zweiten Jahr als verantwortlicher Coach einen interessanten Reifeprozess durchlebt.

Hamburger Abendblatt: Herr Aubin, wie war es für Sie als Frankokanadier, für Deutschland jubeln zu müssen?

Serge Aubin: Wenn wir gegen Kanada gespielt hätten, wäre es komisch gewesen, weil mir mein Heimatverband sehr viel bedeutet. Aber so war es kein Pro­blem für mich, mit 100 Prozent Leidenschaft für Deutschland zu arbeiten. Es war eine großartige Erfahrung, ich habe sehr viel über die Spieler gelernt und über die Visionen, die Marco Sturm und der deutsche Verband haben.

Sie haben in den vergangenen Monaten viele neue Erfahrungen machen dürfen. Unser Eindruck ist, dass Sie in dieser Saison noch fokussierter, aber auch ein wenig verbissener arbeiten als in Ihrer ersten Saison als Freezers-Chefcoach. Liegen wir richtig?

Aubin: Ich denke nicht, dass ich mich verändert habe. Meine Vision vom Eishockey und mein Verhältnis zum Team sind gleich geblieben. Ihr Eindruck mag dadurch entstanden sein, dass ich sehr fokussiert darauf war, in dieser Saison unbedingt einen Fehlstart zu vermeiden. Damit hatte ich viel zu tun, und als es dann anfangs wieder nicht gut lief, war ich natürlich nicht glücklich.

Haben Sie vor der Saison mehr Druck gespürt als im Vorjahr? Immerhin waren Sie erstmals für die Vorbereitung verantwortlich, anders als in der vergangenen Saison, als Sie Ende September das Amt von Benoît Laporte übernahmen.

Aubin: Ich habe überhaupt keinen Druck, sondern eine große Chance und das Glück, einen Job machen zu dürfen, der mir ermöglicht, mein Hobby zu leben. Ich fühle die Pflicht, vorbereitet zu sein, aber ich weiß, was ich tun muss. Ich fand es sehr angenehm, dass ich im Sommer die Zeit hatte, mich optimal auf die neuen Aufgaben einzustellen.

Würden Sie sagen, dass Sie angekommen sind als DEL-Cheftrainer?

Aubin: Absolut, es fühlt sich jetzt so an, als sei ich am genau richtigen Platz. Ich habe mittlerweile akzeptiert, dass ich nie mehr werde spielen können, und ich habe mich mit allen Aufgaben, die ein Cheftrainer zu erfüllen hat, arrangiert und angefreundet. Dennoch ist mir auch klar, dass ich noch immer sehr viel zu lernen habe.

Zum Beispiel, dass Kritik an Ihrer Arbeit aufkommt. Im ersten Jahr lief es sportlich rund, Sie hatten den für Neue üblichen Welpenschutz. Nach dem erneuten Fehlstart gab es erstmals kritische Töne. Wie sind Sie damit klargekommen?

Aubin: Mir war bewusst, dass das irgendwann passieren würde, und ich respektiere jede Meinung. Mir ist es lieber, wenn ich die Kritik abbekomme, als wenn meine Spieler darunter leiden.

Sie betonen immer wieder, dass Sie sich als Kumpeltyp sehen, dass Sie Ihre Spieler lieben. Haben Sie sich daran gewöhnt, Spieler kritisieren zu müssen, ihnen auch mal sagen zu müssen, dass sie nicht spielen dürfen?

Aubin: Ich habe mich an die negativen Seiten meines Jobs gewöhnt, was aber nicht bedeutet, dass sie mir leicht fallen. Einer meiner Grundsätze ist aber, dass ich mich in meinen Entscheidungen niemals von Emotionen leiten lasse. Ich versuche, den Spielern zu erklären, warum ich wie entscheide, aber am Ende stehen immer das Team und der Verein im Vordergrund.

Sie erheben nun auch häufiger, wie in dieser Woche im Training zu beobachten, die Stimme, wirken strenger als zu Beginn Ihrer Amtszeit. Warum?

Aubin: Alles, was ich tue, tue ich, um besser zu werden und das Team besser zu machen. Ich kenne meine Jungs gut, ich würde für jeden von ihnen alles geben. Aber manchmal muss ich sie auch daran erinnern, wie hart wir arbeiten müssen, um Erfolg zu haben. Ich werde sauer, wenn wir nicht das spielen, was unserer Identität entspricht. Nach der 1:2-Niederlage gegen Nürnberg zu Beginn der Saison musste ich mal Dampf ablassen. Aber danach haben die Jungs sofort zurückgeschlagen. Das zeigt ihren Charakter.

Warum hat es dennoch einen Fehlstart gegeben, obwohl Sie von der Qualität des Teams so überzeugt sind?

Aubin: Am Anfang habe ich die Spieler mit zu viel Information überfordert. Sie wollten unbedingt folgen, aber es war zu viel. Wir mussten uns dann wieder daran erinnern, was uns im vergangenen Jahr stark gemacht hat: einfach spielen, die kleinen Dinge richtig machen, als Gruppe fest zusammenstehen. Das haben sie verstanden, und jetzt haben wir eine Balance im Team, die in die richtige Richtung geht. Trotzdem ist noch Luft nach oben.

Keine Frage, die Richtung stimmt, nach vier Siegen in Folge stehen Sie auf Rang vier. Dennoch fehlt Konstanz im Überzahlspiel, und auch im konsequenten Durchziehen des Spielsystems über die kompletten 60 Minuten. Was muss noch besser werden?

Aubin: Sie haben die beiden wichtigsten Punkte genannt. Konstanz ist entscheidend, aber es ist ein sehr schmaler Grat zwischen ganz oben und etwas darunter. Es sind kleine Dinge, die wir verbessern müssen, aber die Einstellung dazu hat das Team.

Auf der Torwartposition mussten Sie wegen des Bandscheibenvorfalls von Sébastien Caron reagieren, haben Cal Heeter verpflichtet. Sorgen Sie sich um die Stimmung, wenn Caron wieder fit ist und Sie mit ihm, Heeter und Dimitrij Kotschnew drei gleichwertige Torhüter haben, von denen einer auf die Tribüne muss?

Aubin: Nein, denn die drei sind Profis, die damit umzugehen wissen. Ich verlasse mich da im Übrigen auf meinen Torwarttrainer Boris Rousson, denn ich rede nie mit Torhütern über sportliche Belange. Ich war nie Torwart und möchte nichts Falsches sagen.

Konstanz gibt es bei den Freezers in der Führung, Sportdirektor Stéphane Richer hat seinen Vertrag kürzlich bis 2019 verlängert. Kontinuität ist auch von den handelnden Personen abhängig. Was ist mit Ihrer Zukunft?

Aubin: Ehrlich gesagt bedeuten mir Vertragslaufzeiten gar nichts. Ich könnte auch einen 15-Jahres-Vertrag unterschreiben; wenn ich keine Ergebnisse liefere, werde ich entlassen. Ich kann Ihnen aber versichern, dass ich an nichts anderes denke als an die Freezers, mein Fokus liegt nur auf diesem unglaublich tollen Job hier. Einen Karriereplan habe ich nicht, ich möchte den Moment genießen können. Und ich habe auch keinen Agenten, der mit anderen Teams spricht.

Dennoch ist es kein Geheimnis, dass Sie von der NHL träumen.

Aubin: Das stimmt, die NHL ist ein Traum, und wenn ich die Gelegenheit bekäme, dort als Assistent anzufangen, würde ich sie wahrnehmen. Dafür gibt es jedoch keinerlei Anzeichen.

Vielleicht werden Sie ja zunächst der fes­te Co-Trainer von Marco Sturm. Wäre das interessant für Sie?

Aubin: Marco und ich hatten interessante Gespräche und konnten feststellen, dass wir die gleichen Visionen von unserem Sport teilen. Über eine mögliche gemeinsame Zukunft haben wir aber nicht gesprochen. Wenn er mich anruft, werde ich mir auf jeden Fall anhören, was er zu sagen hat. Aber an erster Stelle kommen immer die Freezers.