Hamburg . Am Mittwoch starten die Hamburg Freezers ins Play-off-Viertelfinale gegen Düsseldorf. Für das Abendblatt analysiert Benoît Laporte das Duell.

Es ist gar nicht so einfach, Benoît Laporte in diesen Tagen im kanadischen Quebec zu erreichen. Der ehemalige Trainer der Hamburg Freezers drückt mit 54 Jahren noch einmal die Schulbank. „Ich bilde mich im Bereich Wirtschaft weiter. Das hält den Kopf frisch, und mir wird nicht langweilig“, sagt der Frankokanadier, der im September 2014 seinen Job beim Club aus der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) verloren hatte. Mittlerweile hat Laporte den Rauswurf auch emotional verarbeitet.

Dass sein Nachfolger Serge Aubin einen derart großen Erfolg in Hamburg hat, überrascht ihn nicht. „Für Serge war es leicht, auf mich zu folgen. Er ist ein Player-Coach, ein Kumpel der Spieler. Aubin ist nicht so streng wie ich, eben ein komplett anderer Typ. Aber er hat extrem viel Coaching-Talent. In dem Moment, als er seinen Co-Trainer-Vertrag unterschrieben hatte, wusste ich, er wird mich irgendwann beerben“, sagt Laporte.

Mit großem Interesse verfolgt der Coach, der aktuell auf neue Angebote wartet, seinen ehemaligen Club. So ganz hat sich Laporte emotional noch nicht von „seinen“ Freezers lösen können. „Wir haben in den letzten vier Jahren ein Team gebaut, das den Titel holen kann“, sagt Laporte, der für das Abendblatt die am Mittwoch (19.30 Uhr, O2 World, ServusTV live) beginnende Viertelfinalserie gegen die Düsseldorfer EG analysiert.

Defensive: Trotz der 154 Gegentore in der Hauptrunde ist Laporte davon überzeugt, dass die Freezers vor allem in der Defensive den Grundstein für den möglichen ersten Titelgewinn in der Clubgeschichte legen werden. „Die Freezers verfügen in meinen Augen über das beste Abwehrpersonal in der kompletten Liga. Sie sind groß, stark, erfahren und schlittschuhläuferisch hervorragend. Da sind sie der Düsseldorfer EG deutlich überlegen“, sagt Laporte, der das Torhüterduell längst nicht so deutlich sieht.

DEG-Keeper Tyler Beskorowany wurde am vergangenen Sonnabend zum besten Schlussmann der Hauptrunde gewählt. „Seit er in Düsseldorf spielt, zeigt die Mannschaft ein ganz anderes Gesicht. Beskorowany ist ein hervorragender Keeper, dem man unbedingt die Sicht nehmen muss. Wenn er den Puck sieht, ist die Chance groß, dass er ihn hält. Das Duell Sébastien Caron gegen Beskorowany wird ein Schlüsselduell in der Serie“, sagt Laporte, der seinem Ex-Club jedoch einen leichten Vorteil zwischen den Pfosten attestiert.

Benoît Laporte war bis September 2014 Freezers-Coach
Benoît Laporte war bis September 2014 Freezers-Coach © WITTERS | ValeriaWitters

Mit Caron, so sagt der 54-Jährige, verfügten die Hamburger über einen Keeper, der allein Spiele und ganze Play-off-Serien gewinnen kann. Dass der gesamte Druck nach der Verletzung von Dimitrij Kotschnew auf dem Frankokanadier liegt, sieht Laporte nicht als Nachteil. Im Gegenteil: In den Play-offs der Vorsaison ließ Laporte die Torhüter rotieren. Im Nachhinein ein Fehler: Weder Kotschnew noch Caron fanden ihren Rhythmus und strahlten nicht die gewohnte Sicherheit aus. „Sébastien liebt es, viel zu spielen. Caron ist ein Play-off-Torhüter, dem es zugute kommt, wenn er alle Spiele machen muss. Er kennt seinen Körper ganz genau, weiß, wann er sich im Training Pausen nehmen muss“, sagt Laporte, dessen Direktvergleich in der Defensive klar an die Freezers geht. „Hamburgs Defensive lässt kaum Chancen aus der gefährlichen Zone vor dem Tor zu. Von außen und aus der Distanz ist Caron schwer zu bezwingen. Im Tor haben die Freezers einen leichten, in der Defensive einen deutlichen Vorteil.“

Offensive: Aufgrund der vielen Verletzten haben die Freezers ihr taktisches Konzept im Lauf der Saison angepasst. Die Hamburger verzichten auf das zu Saisonbeginn unter Laporte einstudierte Forechecking-System, bei dem zwei Spieler bereits früh den scheibenführenden Gegner unter Druck setzen. Unter Nachfolger Aubin spielen die Freezers abwartender. Sie legen viel Wert darauf, den Gegner nicht mit Geschwindigkeit durch die neutrale Zone laufen zu lassen. Daher glaubt Laporte nicht, dass es ein Problem gibt, die Play-offs nur mit drei Sturmreihen zu bestehen. „Die Freezers agieren deutlich passiver als unter meiner Leitung. Ich glaube daher nicht, dass Müdigkeit ein Faktor wird. Zwar bekommen die Spieler mehr Eiszeit, aber die weniger kraftaufwendige Spielweise kommt den Freezers zugute. Mit meinem Stil hätten wir sicher Probleme bekommen, wenn wir keine vier Reihen gehabt hätten“, sagt Laporte, der erzählt, dass die Mannschaft sich schon in den Play-offs der Vorsaison eine Taktikänderung gewünscht hatte. Sowohl von Seiten der Spieler als auch von Sportdirektor Stéphane Richer gab es Kritik an der risikoreichen Spielweise, die den Freezers im Halbfinale gegen Ingolstadt zum Verhängnis wurde. „Wenn einige Spieler anfangen, ein System zu hinterfragen oder es gar anzuzweifeln, wird es schwer. Richer und Aubin haben ihre Vorstellungen vom Eishockey jetzt umgesetzt, und das Team folgt ihnen. Das ist gut für Hamburg“, sagt Laporte.

Für ein Weiterkommen der Freezers spräche auch die Tatsache, dass sie schwer auszurechnen sind. Alle drei Offensivformationen können Spiele entscheiden, so dass der Ausfall von Topstürmer Jerome Flaake (Schulteroperation) zwar schmerzt, aber kompensiert werden kann. Mit Philippe Dupuis droht ein weiterer Leistungsträger am Mittwoch auszufallen. Nach seiner Gehirnerschütterung muss der 29-Jährige derzeit wieder kürzertreten. „Die Last des Toreschießens ist sehr gut verteilt. Morten Madsen zeigt, wie gut er ist, wenn das Selbstvertrauen da ist. Ich bin sehr gespannt, ob Kevin Clark in den Play-offs eine ähnlich prägende Figur ist wie in der Hauptrunde. Er ist in toller Verfassung und ein Vollbluttorjäger“, sagt Laporte.

Über einen ähnlichen Stürmertypen wie Clark verfügen die Düsseldorfer zwar nicht, dennoch ist die DEG in der Offensive gefährlich. Gerade im Powerplay ist die Mannschaft von Trainer Christof Kreutzer ein Topteam. Daher warnt Laporte davor, zu oft auf der Strafbank zu sitzen. Gerade weil die Freeezers nur sechs gesunde Verteidiger im Aufgebot haben, erwartet der Frankokanadier, dass die DEG versuchen wird, Fouls zu provozieren. „Sie haben in der Tiefe nicht die Qualität wie Hamburg, aber mit Andreas Martinsen, der vor dem Sprung in die NHL stehen soll, Ken-André Olimb und Travis Turnbull haben sie Spieler, die einem wehtun können“, sagt Laporte.

Fazit: „Ich bin mir sicher, dass die Freezers Düsseldorf ausschalten werden. Es wird eine Serie der Emotionen“, sagt Laporte, der „seinem“ Team den ganz großen Wurf zutraut: „Sie mussten auch in dieser Saison einige Widerstände bewältigen. So etwas kann zu einem Lauf führen, der erst sehr spät in den Play-offs enden kann.“