München. Der frühere DFB-Kapitän Michael Ballack kritisiert seinen Nachfolger – Zukunft des 33-Jährigen offen.

Für seinen letzten schweren Gang als Fußball-Profi holte sich Philipp Lahm die Unterstützung von Söhnchen Julian. Mit dem Vierjährigen stapfte der scheidende Bayern-Kapitän durch rot-weißes Konfetti ein letztes Mal zur Südkurve, wo er sich von den Fans verabschiedete. Dann noch ein Foto mit Meisterschale, Julian und Ehefrau Claudia – und weg war er.

„Es sind gemischte Gefühle, das geht einem schon nah. Ich habe hier so viel erlebt. Meine Freunde und meine Familie sind da, und es war heute das letzte Mal. Es war mein Leben, hier auf dem Platz zu stehen“, sagte Lahm. „Ich habe Fußball immer als große Gemeinschaft gesehen. Dass man Ziele verfolgt mit den Fans und mit allen Mitarbeitern. Das werde ich später am meisten vermissen.“ Während seiner Dankesrede vor 15.000 Bayern-Fans auf dem Marienplatz musste der 33-Jährige mit den Tränen kämpfen.

In der Allianz Arena hatte Lahm zum achten und letzten Mal die Meisterschale in die Höhe stemmen dürfen. Nach 652 Pflichtspielen in 15 Jahren als Profi bei Bayern München und dem VfB Stuttgart beendete er seine be­-eindruckende Laufbahn. Ein Jahr vor dem ursprünglich vereinbarten Vertragsende. Er wollte es so, die Entscheidung war gereift, und als er diese verkündete, tat er es mit jener Konsequenz, die sein Markenzeichen geworden war.

Lahm wird wegen Hoeneß nicht Bayern-Sportchef

1989 begann er bei der kleinen FT Gern in München das Fußballspielen – 1995 wechselte er als Elfjähriger zum FC Bayern und legte dort über den Umweg Stuttgart eine Weltkarriere hin. Bis auf den EM-Titel gewann Lahm alles. Der Höhepunkt waren der WM-Triumph 2014 und das Triple mit den Bayern 2013 – und das jeweils als Kapitän.

Das Amt des Sportdirektors bei den Münchnern nach seinem Karriereende lehnte er ab. Er spürte, dass er nicht jenen Einfluss bekommen würde, den er beanspruchte. „Ich glaube, dass Uli Hoeneß noch zu tatkräftig ist, um loszulassen, zu jung“, sagte Lahm mit einer kleinen Spitze gegen den 65-Jährigen.

Was die Zukunft bringt, weiß Lahm noch nicht so recht. „Erst einmal Urlaub, dann ist alles möglich“, sagte er. Verstärkt will er sich um seine Stiftung kümmern und um die Unternehmen, an denen er schon beteiligt ist, und natürlich um seine Familie. Lahm wird bald zum zweiten Mal Vater.

Kapitänsbinde: Ballack rechnet mit Lahm ab

Dass es nicht nur den ruhigen und besonnenen Philipp Lahm gab, daran erinnerte am Sonntag der frühere DFB-Kapitän Michael Ballack, der seinen früheren Mitspieler für das Ende seiner eigenen Nationalmannschafts-Laufbahn mitverantwortlich machte.

„Das war schon ein Frontalangriff“, sagte Ballack im Doppelpass von Sport1 zum Kapitänswechsel beim DFB-Team im Jahr 2010. „Da habe ich den anderen Philipp Lahm kennengelernt, den energischen, den zielstrebigen, „Dass jemand, der die Binde temporär übernimmt, diese dann auch einfordert, kannte ich vorher so nicht. Die Art und Weise war sicherlich nicht in Ordnung“, erklärte Michael Ballack.

Lahm wurde am Sonnabend vom FC Bayern verabschiedet
Lahm wurde am Sonnabend vom FC Bayern verabschiedet © dpa | Matthias Balk

Dass Lahm seine eigene Meinung vertreten kann und will, hatte sich schon früher gezeigt. 2009 gab er der „Süddeutschen Zeitung“ ein Interview, das mit dem Verein nicht abgestimmt war. Darin kritisierte Lahm den Vorstand scharf und stellte sich auf die Seite des streitbaren, aber innovativen Trainers Louis van Gaal,

Vielleicht musste er auch so sein, sonst hätte der kleine Rechtsverteidiger und zwischenzeitliche Mittelfeldspieler wohl nicht den Stellenwert erlangen können, für den er nun gepriesen wird. „Er gehört auf jeden Fall in die Jahrhundertelf des FC Bayern. Auf eine Stufe mit den ganz Großen“, sagte sein Entdecker und Förderer, Hermann Gerland, der am Sonnabend letztmals als Assistent von Carlo Ancelotti fungierte und sich wieder dem Nachwuchs widmet.

FC Bayern: Lahm folgt auf Kahn

Für Münchens Triple-Trainer Jupp Heynckes spielte Lahm „über viele Jahre hinweg auf Weltklasseniveau und wurde zum besten Rechtsverteidiger der Welt“. Der Nachfolger von Heynckes, Pep Guardiola, bezeichnete ihn einst als „intelligentesten Spieler“, den er je erlebt habe.

Der FC Bayern nahm ihn am Freitag in die sogenannte „Hall of Fame“ auf, als ersten Spieler seit Oliver Kahn 2008. „Philipp Lahm ist einer der verdientesten Spieler in der neueren Geschichte des FC Bayern. Sowohl auf dem Platz, als auch daneben in seiner Eigenschaft als Kapitän war er eine absolut wichtige Person im Club, er verdient diese Auszeichnung“, sagte Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge.

Tolle Choreo: Auch die Fans ehrten Lahm
Tolle Choreo: Auch die Fans ehrten Lahm © dpa | Matthias Balk

Lahm wird dem FC Bayern fehlen, der Münchner, der die DNA des Vereins verkörperte und ihr ein Gesicht auf dem Rasen gab. Sein Abschied ist auch so etwas wie eine Zeitenwende beim deutschen Rekordmeister. Der Umbruch in der Mannschaft beginnt mit Lahms und Alonsos Abschied. Arjen Robben (33) und Franck Ribéry (34), die beiden prägenden Flügelartisten der vergangenen Jahre, werden sich in absehbarer Zeit ebenfalls verabschieden. Von den langjährigen Bayern in der Mannschaft des FC Bayern ist von Sonntag an nur noch Thomas Müller da. Torwart Manuel Neuer dürfte Lahm als Kapitän beerben.

Und Lahm? Er wird am Montagmorgen seinen Sohn zum Kindergarten bringen, zum FC Bayern an die Säbener Straße fahren, „um meinen Spind auszuleeren und ein paar Geschenke an Mitarbeiter zu verteilen“. Danach geht es zur Geburtstagsfeier seiner Mutter.