Hamburg. Sie steht für die Pfeifenmänner ein wie keine andere Fußballgruppierung: Die “Brigade Hartmut Strampe“ ist ein Exot in der Ultraszene.

„Schiri, wir wissen wo dein Auto stand, ist aufgetankt, ist aufgetankt!“ oder "Say it loud, say it clear, Referees are welcome here!" Die Stadiongänger der Fußball-Bundesliga müssen sich künftig auf neuartige Gesänge von den Rängen gefasst machen. Die Chants sind dabei ebenso ungewöhnlich wie ihre Urheber: Die „Brigade Hartmut Strampe“, Deutschlands erste Ultra-Gruppierung, die sich ausnahmslos der Schiedsrichtergilde verschrieben hat.

"Unsere Qualität - Neutralität": Die Strampes auf dem Weg in ihre Kurve © Brigade Hartmut Strampe

„Wir stehen für Gerechtigkeit“, sagt Vorsänger Alex Brandt über die Motivation zur Gründung der bereits 20 Mann starken Gruppe aus Berlin. Während anderswo verbal gehetzt wird, gehört für die Brigade eben das lautstarke Lob für den Unparteiischen zum Verhaltenskodex. Als erster Bundesliga-Schiedsrichter kam Tobias Stieler in den Genuss der kompromisslosen Unterstützung.

Typisches Ultra-Erscheinungsbild

„Wir sind echte Fans geworden“, sagt Brandt über den Hamburger Stieler, der die Schiri-Ultras beim Spiel Hertha BSC gegen den VfB Stuttgart ausnahmslos überzeugt hatte. Langgezogene „Stiiiiieler“-Rufe waren der Lohn. Die nicht-neutralen Zuschauer wunderten sich - genauso wie über das Outfit der Strampes. Die erschienen nämlich in angemessenem Schwarz und mit Fanschals in Ultra-Typografie.

"Der hat schon Gelb": Auch gut gemeinte Ratschläge gehören zum Repertoire der Ultras © Brigade Hartmut Strampe

Dazu winkten die Schiri-Anhänger mit orange-gelben Assistenten-Fähnchen. „Das ist unser Pyro-Ersatz“, sagt Brandt, „bei schnellem Wedeln sieht das fast so ähnlich aus.“ Auch ein Banner mit Strampe-Logo hatte die Gruppe im Berliner Olympiastadion ausgerollt. Als andere plakative Botschaften dienten Slogans wie „Sieg oder Spielbericht“ oder „Der hat schon Gelb“.

Strampe als perfekte Ikone

Warum eigentlich gerade Hartmut Strampe als Namensgeber? „Der eignet sich mit seinem Schnäuzer und dem Bürstenhaarschnitt einfach ideal als Gesicht für den korrekten Pfeifenmann“, sagt Brandt über den Niedersachsen, der seine Pfeife 2003 in die Schublade steckte.

Für die Ultras eine Ikone: Schiedsrichter Hartmut Strampe, hier 2002 bei einer Verwarnung für HSV-Spieler Nico-Jan Hoogma
Für die Ultras eine Ikone: Schiedsrichter Hartmut Strampe, hier 2002 bei einer Verwarnung für HSV-Spieler Nico-Jan Hoogma © Witters

Einen Rekord hält Strampe noch immer: Den für die meisten Verwarnungen in einem Bundesligaspiel. Am 7. April 2001 verteilte er bei der Partie Borussia Dortmund gegen Bayern München zehn Gelbe, eine Gelb-Rote und zwei Rote Karten.

Da können seine Jünger auch verkraften, dass ihrem Liebling eine andere Bestmarke gerade abhanden gekommen ist. Sein Debüt hatte Strampe nämlich am 27. August 1991 beim 6:2-Sieg des MSV Duisburg gegen den Karlsruher SC gegeben, zu dem MSV-Stürmer Michael Tönnies fünf Tore beitrug.

Ein Rekord, den nun Bayerns Robert Lewandowski trägt, denn der Pole war bei seinem Fünferpack beim 5:1 gegen Wolfsburg einfach schneller. Halb so wild für die „Brigade Hartmut Strampe“, denn das Spiel wurde geleitet von? Richtig: Tobias Stiiiiiiieler.

Gräfes Relegations-Pfiff war korrekt

Neben Stieler haben die Strampes übrigens noch einen weiteren Favoriten: Manuel Gräfe. „Der hat einfach Ausstrahlung“, findet Brandt. Und auch bei einer der umstrittensten Entscheidungen der jüngeren Fußballhistorie stellt sich der 31-Jährige ganz klar hinter Gräfe.

Der hatte bekanntermaßen dem HSV im Relegationsrückspiel mit einem Freistoßpfiff in der Nachspielzeit beim KSC den Ausgleich und damit den späteren Sieg samt Klassenerhalt ermöglicht. „Da hat er alles richtig gesehen“, sagt Brandt über die Szene, als HSV-Spieler Slobodan Rajkovic Karlsruhes Jonas Meffert den Ball an den Arm drosch.

Bei aller offensichtlichen Vorliebe für Hamburg - den HSV werden sich die Berliner Ultras beim Hertha-Gastpiel nicht live im Stadion anschauen. „Der bürokratische Aufwand mit Banner-Anmeldung ist einfach zu groß“, sagt Brandt. Stattdessen unterstützen sie diesmal den Leiter der Oberliga-Partie Lichtenberg 47 gegen Anker Wismar.

Verständnis für Brandbrief aus Hamburg

Überhaupt haben die Schiedsrichter-Fans ein großes Herz für den Amateursport samt ihrer Unparteiischen. Nicht zuletzt deshalb veröffentlichten sie auch auf ihrer Facebook-Seite jüngst den Brandbrief der Hamburger Schiedsrichter zu Gewalt auf und neben den Plätzen.

„Schiedsrichter leben sicher auch von Emotionen, aber für ein paar Mark-Fuffzig zu pfeifen und dafür auf die Schnauze zu bekommen, kann natürlich nicht sein“, sagt Brandt, der ohnehin einen entspannteren Umgang mit Schiedsrichterleistungen anmahnt. Denn auch der „Strampe“-Capo weiß: „Fehlentscheidungen gleichen sich immer aus!“