Hamburg. Alexander Zverev und Philipp Kohlschreiber verlieren beim Tennisturnier am Rothenbaum ihre Auftaktmatches.

Alexander Zverev schlich zum Netz wie ein Todgeweihter zum Schafott. Er schüttelte seinem Bezwinger Tommy Robredo kurz die Hand, dann packte er seine Sporttasche und schlurfte über den roten Sand des Centre-Courts Richtung Kabinengang. Die nach Autogrammen lechzenden Fans ließ er unbeachtet. Die 7:6 (7:3), 4:6, 2:6-Niederlage, die seinen dritten Hauptfeldauftritt in Hamburg viel zu früh beendete, hatte Deutschlands größtes Tennistalent schwer getroffen.

„Ich bin nach Hamburg gekommen, um mein bestes Tennis zu spielen. Leider hat es nicht geklappt“, sagte der 18-Jährige, der im vergangenen Jahr sensationell das Halbfinale erreicht hatte, auf der Pressekonferenz 75 Minuten nach dem Match mit noch immer tränenerstickter Stimme. Tatsächlich hatte er Robredo, 33, dem er am vergangenen Sonnabend im Halbfinale des 250er-Turniers im schwedischen Bastad noch in zwei Sätzen unterlegen war, einen großartigen Kampf geliefert. Auch ein 0:4-Rückstand im ersten Satz ließ ihn nicht verzweifeln. Mit starken Grundschlägen und aggressiven Netzangriffen setzte er den Hamburg-Sieger von 2006 unter Druck. Erst im dritten Durchgang konnte der Weltranglisten-21. seine Erfahrung und Klasse zur Geltung bringen. „Er war besser als in Bastad, ich war zu nervös und im dritten Satz auch zu müde“, sagte Zverev.

Im Achtelfinale gibt es an diesem Mittwoch nun statt des deutschen Duells zwischen Zverev und Philipp Kohlschreiber (Augsburg) die Partie Robredo gegen Benoît Paire zu sehen. Der Franzose schlug Kohlschreiber mit dem Schwung seines Turniersiegs in Bastad 6:3, 3:6, 6:1 und sorgte dafür, dass mit Florian Mayer (Bayreuth) nur noch ein deutscher Profi in der Runde der letzten 16 vertreten ist. Zverev fliegt an diesem Donnerstag in die USA, wo er für das Turnier in Washington in der kommenden Woche gemeldet ist.

Damit endet die Turnierwoche in seiner Geburtsstadt, die der Weltranglisten-98. auch deshalb so liebt, weil er seine Freunde um sich hat. Auch die Großmutter aus Moskau war dabei, alle wohnten gemeinsam im Elternhaus in Lemsahl. Dort, wo seine Tenniskarriere mit Matches im heimischen Garten gegen Bruder Mischa, 27, begann. Beide lieben es, sich in Wettkämpfen aller Art zu messen. „Ob Fußball, Basketball oder Playstation, bei uns geht es immer darum, sich mitein­ander zu duellieren“, sagt Mischa, der 2009 auf Weltranglistenposition 45 stand, mittlerweile aber nach diversen Verletzungen darum kämpft, als derzeit 344. wieder die Top 300 zu erreichen.

Die Betreuung Alexanders ist grundsätzlich Familiensache. Vater Alexander senior, in den 80er-Jahren selber Profi, leitet 90 Prozent der Trainingsarbeit, die restliche Zeit ist Mischa zuständig, der in diesem Jahr am Rothenbaum im Qualifikationsfinale ausschied und bereits am Montag zurück nach Florida flog. Dort hat die Familie ein Haus, weil die Brüder vor allem im Winter unter der Sonne Tampas trainieren. Mutter Irina ist für die Organisation der Reisen und den Zusammenhalt der Familie zuständig. „Sie ist die seelische Unterstützung für mich“, sagt Alexander, den alle Sascha nennen.

Der Jüngere schätzt die Ratschläge seines Bruders sehr. „Es ist ein Privileg, ihn zu haben. Mischa hat sehr viel Erfahrung, er gibt mir viele gute Tipps“, sagt er. „Ich kann Sascha zum Beispiel in der Gegnervorbereitung unterstützen, weil ich gegen die meisten seiner Gegner selbst schon gespielt habe“, sagt Mischa. Was er an seinem Bruder, dem schon früh das größere Talent nachgesagt wurde, besonders bewundert, ist dessen Fähigkeit, Emotionen zu zeigen und sich trotzdem nicht negativ von diesen beeinflussen zu lassen. „Er ist ein Kämpfer, der niemals aufgibt. Und ich finde, dass er in diesem Jahr schon viel konstanter geworden ist. Er hat es erstaunlich gut geschafft, den Druck, der auf ihm als Toptalent und kommenden deutscher Spitzenspieler lastet, in positive Energie zu kanalisieren. Für sein Alter ist das eine große Leistung.“

Obwohl die Brüder versuchen, so oft wie möglich dieselben Turniere zu spielen, um viel Zeit miteinander verbringen zu können, haben sie erst zweimal auf der ATP-Tour gegeneinander gespielt: 2012 beim Challengerturnier in Dallas und 2014 in der Qualifikation zum ATP-Turnier in Houston. Beide Male siegte der Ältere, aber er weiß, dass der Tag nicht fern ist, an dem sich das Blatt endgültig wendet. „Natürlich will keiner gegen den anderen verlieren, aber Sascha hat die Zukunft vor sich, und ich werde alles tun, um ihn dabei zu unterstützen“, sagt Mischa. Die nächste Maßnahme auf diesem Weg dürfte sein, Aufbauhilfe zu leisten nach dem frühen Aus am Rothenbaum.