Hamburg. Zwei Wimbledonsieger unter sich: Goran Ivanisevic eröffnet mit dem Legendenmatch gegen Michael Stich das Tennisturnier am Rothenbaum.

Spaß hatte Goran Ivanisevic meistens, wenn er am Rothenbaum aufschlug. Und auch den einen oder anderen Erfolg kann der kroatische Tennis-Altstar aus seinen acht Starts in Hamburg vorweisen. 1995, als das traditionsreichste deutsche Herrenturnier noch fester Bestandteil der ATP-Mastersserie war, unterlag der heute 43 Jahre alte Wimbledonsieger von 2001 erst im Finale dem Ukrainer Andrej Medwedew. 1991 und 1998 stand er im Viertelfinale. Spaß und Erfolg will Ivanisevic an diesem Sonntag vereinen, wenn er um 18 Uhr auf dem Centre-Court zum Legendenmatch gegen Turnierdirektor Michael Stich, 46, antritt. Dieses Showmatch eröffnet seit einigen Jahren die Bet-at-home-Open, Ivanisevics Vorgänger hießen Ivan Lendl, John McEnroe, Mats Wilander oder Pat Cash. Warum es so schwierig ist, Stich zu bezwingen, erklärt der frühere Weltranglistenzweite im Gespräch mit dem Abendblatt.

Hamburger Abendblatt: Herr Ivanisevic, Michael Stich hat vier Ihrer sechs Duelle auf der ATP-Tour gewonnen, und er sagte, dass er für das Legendenmatch ein gutes Gefühl habe, weil er gegen Sie immer gut ausgesehen habe. Jetzt möchten wir mal eine richtige Kampfansage hören.

Goran Ivanisevic: Auf der Seniorentour habe ich eine positive Bilanz gegen Michael, da war ich bislang der bessere Spieler, auch bei unserem letzten Aufeinandertreffen in Luxemburg im vergangenen Jahr. Man merkt eben, dass das Alter nicht spurlos an Michael vorübergeht. Aber ich will am Sonntag nicht zu grausam zu ihm sein. Ich bin ja der Gast, und als solcher habe ich mich nett und anständig zu verhalten. Ich verspreche aber, dass es ein interessantes Spiel zu sehen geben wird, weil wir beide es gewinnen wollen.

Warum hatten Sie mit Stich in Ihrer Zeit auf der ATP-Tour oft Probleme?

Ivanisevic : Die hatte doch jeder, nicht nur ich. Und das liegt daran, dass Michael einer der komplettesten Spieler war, die jemals auf der Tour gespielt haben. Er konnte einfach alles, hatte viele sehr gefährliche Waffen. Sein Aufschlag war schwer zu lesen, aber er hatte auch ein unglaubliches Ballgefühl. Ich glaube, dass viele bis heute nicht wissen, wie gut er eigentlich war. Sein Problem war, dass er in Deutschland immer ein bisschen im Schatten von Boris Becker stand, deshalb hat er nie die Anerkennung bekommen, die er verdient gehabt hätte. Ich zähle ihn aber zu den Besten, die der Tennissport jemals gesehen hat.

Welche Erinnerungen verbinden Sie mit dem Rothenbaum?

Ivanisevic : Ich habe in Hamburg immer gefroren. Zu meiner Zeit wurde das Turnier ja im Mai gespielt, und es war immer kalt, nass und windig. Und dennoch habe ich den Rothenbaum sehr gemocht. Die Fans lieben Tennis und haben mich immer sehr gut unterstützt, deshalb bin ich Michael dankbar, dass er mich eingeladen hat. Hamburg ist zwar kein Masters mehr, aber noch immer ein bedeutendes Turnier.

Sie haben vielleicht gehört, dass sich die Stadt um die Austragung Olympischer Sommerspiele bewirbt. Tennis würde dann am Rothenbaum gespielt.

Ivanisevic : Ich wusste das nicht, dass Hamburg sich bewirbt. Aber ich halte das für eine großartige Idee. Der Rothenbaum ist definitiv ein würdiger Rahmen für ein olympisches Turnier, und Hamburg ist die schönste Stadt in Deutschland. Das passt!

Sprechen wir über Sie und Ihre Karriere. 1992, 1994 und 1998 standen Sie in Wimbledon im Finale, gewonnen haben Sie erst, als Sie kein Favorit mehr waren, 2001 gegen Patrick Rafter. Sie waren mit einer Wildcard ins Hauptfeld gerutscht. Konnten Sie dem Druck des Gewinnenmüssens damals nicht standhalten?

Ivanisevic : Ich muss zugeben, dass ich leider oft nicht meine Bestleistung gebracht habe, wenn ich es gemusst hätte. Und wenn ich nicht musste, dann ging es plötzlich. Ich habe dafür nie eine Erklärung gefunden. Fakt ist, dass ich bis heute nicht weiß, warum ich es 2001 doch noch geschafft habe, diesen Wimbledonsieg zu erreichen, von dem ich immer geträumt hatte. Ich hatte in den Wochen davor – verzeihen Sie – totale Scheiße zusammengespielt. Sicherlich war auch etwas Glück dabei, aber das braucht man. Und diesen Erfolg kann mir niemand nehmen.

Was bedeutete er Ihnen damals, und was bedeutet er Ihnen heute?

Ivanisevic : Er bedeutet mir nach wie vor alles. Dieser Triumph hat mir das gegeben, wovon ich immer geträumt habe. Wer erinnert sich noch an die Finalisten in Wimbledon? Den Sieger aber, den vergisst niemand. Dass ich in dieser Siegerliste stehe, ist für mich eine ganz große Sache. Ich hätte es gern früher geschafft, aber besser spät als nie, besser einmal als keinmal.

Ihr Markenzeichen war der Aufschlag. Sie halten bis heute den Rekord der meisten Asse innerhalb eines Kalenderjahres mit 1477, Sie waren mit 218 km/h Geschwindigkeitsrekordler. Was macht einen guten Aufschlag aus?

Ivanisevic : Ich halte auch noch den Gesamtrekord an geschlagenen Assen, aber den wird mir Ivo Karlovic sicherlich entreißen. Aber immerhin bleibt er dann in kroatischer Hand. Zu Ihrer Frage: Beim Aufschlag geht es nicht um komplizierte Tricks. Man muss den Aufschlag so simpel wie möglich halten, es ist sowieso schon der schwierigste Schlag. Wer ihn unnötig verkompliziert, liegt falsch. Es geht nicht um Geschwindigkeit, die kann man blocken. Es geht darum, wie man ihn platziert. Die besten Aufschläger sind die, die platziert mit viel Slice aufschlagen. Das ist kaum zu retournieren.

Wie oft haben Sie Aufschlag trainiert? Jeden Tag? Oder fast nie, weil Sie ihn so sehr verinnerlicht hatten?

Ivanisevic : Ich habe immer so lange aufgeschlagen, bis ich meinen Rhythmus gefunden hatte. Das hat manchmal eine Minute gedauert, manchmal auch eine Stunde.

2004 haben Sie Ihre Karriere beendet, 2005 hieß es, Sie hätten Privatinsolvenz angemeldet. Kaum zu glauben bei einem Preisgeld von fast 20 Millionen Dollar.

Ivanisevic : Sehen Sie, dann glauben Sie es auch nicht, es ist nämlich nicht wahr. Ich weiß, dass kroatische Zeitungen das geschrieben haben, aber es ist Unsinn. Ich habe mich nach meiner Karriere allerdings etwas zurückgezogen, weil ich Zeit brauchte, um zu entscheiden, wie es weitergehen soll. Ich wollte Zeit mit der Familie verbringen, um in mich hineinzuhorchen.

2013 fragte dann Ihr Landsmann Marin Cilic an, ob Sie ihn trainieren würden. Warum sagten Sie zu?

Ivanisevic : Weil ich mich bereit dazu fühlte. Ich hatte Tennis zwar nie vermisst, dennoch war es schön, wieder Teil der Tour zu sein. Viele Spieler von früher sagen, sie hätten das viele Reisen, das Leben aus dem Koffer satt. Mich hat das nie gestört, es gehört dazu. Man kann ja nicht einfach nur die Rosinen rauspicken. Und außerdem ist Marin ein feiner Kerl und ein Spieler mit außergewöhnlichen Anlagen.

Spielte es für Sie eine Rolle, dass einige ehemalige Weggefährten von früher als Trainer eingestiegen sind?

Ivanisevic : Ich denke schon, dass es mir den Schritt erleichtert hat. Es ist großartig, die alten Legenden von damals wie Boris Becker, Stefan Edberg, Michael Chang oder Ivan Lendl wiederzusehen und mit ihnen über alte Zeiten zu plaudern. Und es ist toll zu sehen, dass sie alle erfolgreich sind.

Was von Ihnen sehen Sie in Cilic, und was haben Sie verändert bei ihm?

Ivanisevic : Es geht nicht darum, was ich verändern will, sondern wozu er bereit ist, an was er glaubt. Ich denke, dass ich ihn dazu anleiten konnte, aggressiver zu spielen. Aber das hat einige Monate gedauert. Ich musste ja auch erst lernen, wie ein Trainer zu denken.

2014 hat Cilic die US Open gewonnen.

Ivanisevic : Das war für uns beide eine tolle Bestätigung, die uns allerdings noch hungriger gemacht hat.

Das heißt, Sie werden versuchen, die Spitze der Weltrangliste anzugreifen. Stört es die Kroaten Ivanisevic und Cilic, dass dort mit Djokovic ein Serbe steht?

Ivanisevic : Unsinn. Im Sport sollte Politik grundsätzlich keine Rolle spielen. Und Novak ist ein toller Kerl und ein großartiger Spieler, dem wir seinen Erfolg absolut gönnen.

Warum kommen so viele gute Sportler aus dem ehemaligen Jugoslawien?

Ivanisevic : Ich glaube, dass wir einfach mehr Hunger als andere haben, etwas im Sport zu erreichen. Und es spielt auch eine Rolle, dass es so viele Vorbilder für die Jugend gibt, denen diese nacheifern kann. Vielleicht liegt es aber auch einfach nur an der guten Luft hier in Kroatien.

Der nächste Ivanisevic ist ja bereits im Anflug. Ihr sieben Jahre alter Sohn Emanuel spielt Tennis, wie man hört. Würden Sie ihn trainieren?

Ivanisevic : Nein, weil ich nicht glaube, dass das zum Erfolg führt. Ich würde ihm helfen, würde ihm Tipps geben. Aber trainieren würde ich ihn nicht. Außerdem ist noch nicht klar, ob er überhaupt beim Tennis bleibt. Er ist auch ein guter Fußballer.