Hamburg. Die Hamburger Tennisprofis Tobias Kamke und Julian Reister stehen erstmals seit 2009 nicht im Hauptfeld des Turniers am Rothenbaum.

Die Gedanken, die ihn quälen, sind der blanke Horror. „Wenn ich mir vorstelle, dass ich nächste Woche in Winterhude in meiner Wohnung sitze, und wenige Kilometer weiter wird am Rothenbaum mein Lieblingsturnier gespielt, dann blutet mir das Herz“, sagt Tobias Kamke, und man muss ihn verstehen. Fünf Jahre in Folge stand der in Lübeck geborene Wahlhamburger im Hauptfeld des traditionsreichsten deutschen Herrentennisturniers, das in der kommenden Woche zum 109. Mal ausgetragen wird.

Ob Kamke in diesem Jahr dabei sein wird, entscheidet sich am Wochenende. Der 29-Jährige hat zwar die von Turnierdirektor Michael Stich offerierte Wildcard für die Qualifikation noch nicht angenommen, die Tendenz geht allerdings klar in diese Richtung. „Ich will ja unbedingt spielen“, sagt er. Und auch wenn er traurig ist, trotz seiner Viertelfinalteilnahme im vergangenen Jahr nicht für eins der vier Freitickets für das Hauptfeld berücksichtigt worden zu sein, weiß Kamke nur zu gut, dass er sich seine aktuelle Situation selbst zuzuschreiben hat.

Auf Rang 200 der Weltrangliste ist der Mann, der 2010 zum Newcomer des Jahres auf der ATP-Tour gewählt wurde, abgestürzt. Schlechter war er letztmals im März 2010, zwischen August 2010 und März 2015 stand er kontinuierlich unter den besten 100 der Welt. Und tatsächlich gab es in den vergangenen Monaten Momente, in denen er sich fragte, ob das alles noch Sinn macht mit dem Profitennis. Anders als sein Reinbeker Kumpel Julian Reister, 29, der nach neun Monaten Verletzungspause auf Rang 926 gestürzt ist, gerade wieder Fuß fasst, aber ebenfalls erstmals seit 2009 nicht am Rothenbaum, sondern in Gstaad (Schweiz) antreten wird, war Kamke immer gesund.

Natürlich gab es Gründe für den Niedergang. Da war der Trainerwechsel von Sascha Nensel, der sich ob seiner Verantwortung für Fedcupspielerin Julia Görges nicht vollumfänglich um ihn kümmern konnte, zu Björn Phau und Robert Orlik, den er im Dezember 2014 vollzog – und nach den French Open im Mai rückgängig machte, um zu seinem Jugendtrainer Mirko Schütte zurückzukehren. „Menschlich haben Björn und ich uns bestens verstanden, aber sportlich hat es leider nicht gepasst“, sagt er ehrlich. Dazu kam ein Schlägerwechsel, zu dem ihm viele geraten hatten und der ihn so sehr irritierte, dass er mittlerweile wieder mit dem angestammten Material spielt. Auch familiäre Probleme, auf die er öffentlich nicht eingehen mag, hemmten ihn.

Nach elf Erstrundenpleiten in Serie nahm sich Kamke im Juni eine Auszeit, um Abstand zum Tourzirkus zu bekommen. „Ich musste aufhören, ständig auf die Punkte zu schauen, die mir in der Rangliste verloren gingen. Jetzt betrachte ich die 200 als Zahl, die sich wieder ändern wird. Natürlich macht mir das keinen Spaß, dort zu stehen, aber ich glaube fest daran, dass ich mein Ziel, die Top 50, erreichen werde, wenn mein Selbstvertrauen zurückgekehrt ist“, sagt er. Das könne schon in der nächsten Woche der Fall sein, wenn es in Hamburg gut läuft für ihn. Und wenn nicht? „Dann kämpfe ich weiter, denn ich habe in der schlechten Zeit gespürt, wie wichtig mir das Tennis ist“, sagt er. Einsicht ist ja bekanntlich der erste Schritt zur Besserung.