Deutschlands Sieg in Spanien wird allerdings durch die Verletzung von Thomas Müller getrübt. Ausgerechnet Spanien-Legionär Toni Kroos erzielt das Tor des Tages im Dauerregen von Vigo.

Vigo. Gelungener Jahresabschluss für die deutsche Nationalmannschaft: Im Dauerregen von Vigo hat Joachim Löw zum Abschluss des glorreichen WM-Jahres noch einen Prestige-Erfolg bejubeln können. Toni Kroos bescherte der deutschen Rumpfelf am Dienstagabend mit seinem Treffer in der 89. Minute einen 1:0 (0:0)-Sieg gegen Europameister Spanien. Im erstmals erprobten 3-4-3-System erarbeitete sich das DFB-Team ohne zahlreiche gestandene Fußball-Weltmeister mit Kampfkraft und Disziplin den ersten Sieg gegen Spanien nach über 14 Jahren. Zuletzt gewann Deutschland am 16. August 2000 gegen die Iberer – auch damals war es ein Freundschaftsspiel.

Beim nicht ganz unverdienten Sieg gegen Spanien standen lediglich vier Spieler in der Startelf, die auch beim WM-Finale gegen Argentinien von Beginn an aufliefen. Doch basierend auf einer starken Defensivleistung zeigte die DFB-Elf, die von Sami Khedira als Kapitän aufs Feld geführt wurde, eine ansprechende Leistung bei schwierigen Bedingungen durch den aufgrund des Regens tiefen Rasen.

„Ich denke, dass man sich keinen besseren Jahresabschluss wünschen kann. Mit der Defensivleistung war ich sehr zufrieden, in der Offensive hatten wir in der zweiten Halbzeit bessere Aktionen als in der ersten. Wir müssen uns weiterentwickeln und in einigen Dingen weiter verbessern. Das war heute ein sehr guter Beginn“, zeigte sich Löw zufrieden nach dem Spiel.

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Bei seinem Siegtor hatte Kroos Glück, dass Spaniens kurz zuvor eingewechselter Keeper Kiko Casilla den nassen Ball nicht zu fassen bekam. Das Spiel passte sich insgesamt den widrigen äußeren Bedingungen an, die nur 25.500 Zuschauer im betagten Estadio Balaídos erlebten kaum spielerische Höhepunkte. Mit elf Siegen, vier Unentschieden und zwei Niederlagen fällt die Jahresbilanz der Nationalmannschaft positiv aus.

„Das haben wir uns gewünscht. Wir haben defensiv sehr gut gestanden und nicht viel zugelassen. Das war ein tolles Jahr und ein guter Abschluss“, sagte der Siegtorschütze.

Mustafi und Zieler sammeln Pluspunkte


Die kurzfristigen Ausfälle weiterer Leistungsträger hatten dem Prestige-Duell gegen den Europameister im Vorfeld einiges an Reiz genommen, doch die zur Notgemeinschaft gewordene DFB-Elf zog sich in ungewohnter taktischer Ausrichtung achtbar aus der Affäre. Löw experimentierte im letzten Spiel des Jahres mit einer Dreier-Abwehrkette, die Sebastian Rudy und Erik Durm auf den Außenbahnen bei gegnerischem Ballbesitz zur Fünfer-Reihe verdichteten.

Und Löws Maßgabe wenig zuzulassen ging auf. Denn die Behelfsabwehr mit Benedikt Höwedes und seinen Nebenleuten Antonio Rüdiger und Shkodran Mustafi machte ihre Sache sehr ordentlich, auch wenn Spaniens Jungstar Isco immer wieder versuchte, seine Angriffskollegen in Szene zu setzen.

Pluspunkte sammelte vor allem Mustafi, der die schwierige Aufgabe im Abwehrzentrum engagiert erledigte, energisch in die Zweikämpfe ging und auch schon die Kommandos gab. Auch Ron-Robert Zieler zählte an einem völlig verregneten Abend in Galizien zu den Gewinnern. Der Hannoveraner entschärfte die drei größten Gelegenheiten der Hausherren und sicherte damit das zu Null.

Foul an Müller erinnerte an Neymar


Im Spiel nach vorne kam die deutsche Mannschaft über gelegentliche Ansätze allerdings kaum hinaus. Khedira konnte wegen mangelnder Fitness und Spritzigkeit die ihm zugedachte Rolle als Ankurbler zunächst nicht ausfüllen, steigerte sich aber nach der Pause deutlich. Sein Madrider Clubkollege Kroos agierte sehr dosiert. Mario Götze wurde kaum ins Spiel eingebunden, zudem fehlte ihm schon nach 22 Minuten in Thomas Müller ein Anspielpartner.

Der Münchner vergrößerte Mitte der ersten Halbzeit die Ausfallliste angeschlagener Weltmeister. Wegen eines Pferdekusses an der linken Gesäßhälfte als Folge eines Fouls von Sergio Ramos musste Müller seinen Platz im offensiven Mittelfeld für Karim Bellarabi räumen, der das bis dahin sehr dezente Offensivspiel sichtlich belebte.

Das Foul an Müller erinnerte an den Zweikampf zwischen Brasiliens Superstar Neymar und Kolumbiens Juan Zúñiga im WM-Viertelfinale, bei dem sich der Top-Stürmer der Seleção nach offiziellen Angaben einen Wirbelbruch zuzog. Allerdings gab es erhebliche Zweifel an der Härte der Verletzung, nachdem Neymar bereits 45 Tage später sein Comeback für den FC Barcelona feierte. Nichtsdestotrotz war es eine schwere Verletzung, die Müller wohl erspart bleibt, sollte sich die erste Diagnose Pferdekuss bestätigen. „Mal schauen, wie die Untersuchung morgen ausfällt. Ich habe starke Schmerzen im Gesäßbereich“, sagte Müller.

Spanien begann druckvoll


Bei starkem Dauerregen und böigem Wind stand die Anfangsphase im Zeichen der Spanier, auch wenn die Gastgeber nicht mehr ihr in der Vergangenheit gefürchtetes Kurzpassspiel aufzogen. In der 12. Minute wurde Torhüter Ron-Robert Zieler in seinem vierten Länderspiel durch einen Distanzschuss von Debütant Nolito geprüft. Rüdiger hatte den 28 Jahre alten Angreifer von Celta de Vigo einen Moment lang aus den Augen gelassen. Ein gutes Zusammenspiel zwischen Müller und Mario Götze bescherte der Löw-Elf nach 20 Minuten die erste Chance. Iker Casillas meisterte in seinem 160. Länderspiel den trockenen Schuss des WM-Finaltorschützen.

Ihre seltenen offensiven Akzente setzte die deutsche Elf vor allem dann, wenn das Tempo angezogen wurde. In der 33. Minute bot sich Rudy eine unverhoffte Chance zum Abschluss, nachdem die spanische Abwehr den Ball nicht aus dem Strafraum bekam. Der Schuss des Hoffenheimers flog allerdings weit über den Kasten.

Auf inzwischen durchweichtem und tiefem Rasen hatten beide Teams nach der Pause immer mehr Probleme mit der Standfestigkeit. Zwingende Angriffsaktionen besaßen daher Seltenheitswert. So resultierte die nächste Torchance auch aus einer Standardsituation, als Zieler den 18-Meter-Freistoß von Lokalmatador Nolito mit den Fäusten zur Ecke lenken konnte (59.). Auf der Gegenseite hatte der eingewechselte Kiko Casilla im spanischen Tor beim Distanzschuss von Kevin Volland größte Probleme, den nassen und rutschigen Ball zu parieren (79.). Acht Minuten vor dem Ende verhinderte Zieler gegen Pedro das drohende 0:1.

Lukas Podolski, der nach dem Gibraltar-Spiel von Löw angezählt wurde bliebt 90 Minuten auf der Bank und muss damit weiter auf sein 122. Länderspiel warten.

„Die Mannschaft, die auf dem Platz stand, hat es hervorragend gemacht. In der ersten Halbzeit haben wir stabil gestanden, nach dem Wechsel mehr nach vorne gemacht. Daher war der Sieg nicht unverdient“, sagte Khedira nach dem Spiel.

Die Statistik

Spanien: Casillas/Real Madrid (33 Jahre/160 Länderspiele) ab 77. Casilla/Espanyol Barcelona (28/1) – Azpilicueta/FC Chelsea (25/10), Pique/FC Barcelona (27/65) ab 46. Albiol/SSC Neapel (29/50), Ramos/Real Madrid (28/124) ab 46. Bartra/FC Barcelona (23/4), Bernat/Bayern München (21/2) – Busquets/FC Barcelona (26/74) ab 46. Camacho/FC Malaga (24/1), Soriano/FC Villarreal (30/6) – Raul Garcia/Atletico Madrid (28/2) ab 70. Callejon/SSC Neapel (27/2), Isco/Real Madrid (22/6) – Morata/Juventus Turin (22/2), Nolito/Celta Vigo (28/1) ab 77. Pedro/FC Barcelona (27/48). – Trainer: del Bosque

Deutschland: Zieler/Hannover 96 (25/4) – Rudy/1899 Hoffenheim (24/5), Rüdiger/VfB Stuttgart (21/5), Mustafi/FC Valencia (22/6), Höwedes/Schalke 04 (26/31), Durm/Borussia Dortmund (22/7) – Khedira/Real Madrid (27/53) ab 90.+2 Lars Bender/Bayer Leverkusen (25/19), Kroos/Real Madrid (24/57) – Müller/Bayern München (25/62) ab 22. Bellarabi/Bayer Leverkusen (24/4), Volland/1899 Hoffenheim (22/3) – Götze/Bayern München (22/41) ab 84. Kruse/Borussia Mönchengladbach (26/10). – Trainer: Löw

Schiedsrichter: Stefan Johannesson (Schweden)

Tor: 0:1 Kroos (89.)

Zuschauer: 22.000

Gelbe Karten: Raul Garcia -

Torschüsse: 9:9

Ecken: 8:3

Ballbesitz: 48:52 %