Die Aufregung um die Ermittlungen zur WM-Vergabe nach Russland und Katar geht unvermindert weiter. Immer neue Brandherde beschäftigen die Fifa. Medien berichten über mehr Engagement des FBI in den USA und Ligapräsident Reinhard Rauball denkt über einen Ausstieg aus der Fifa nach.

Zürich. Neue Verdächtigungen, neue Untersuchungen und ein provokanter Vorschlag ausgerechnet von der Bundesliga-Spitze: Nach dem Ermittlungs-Desaster der Fifa-Ethikkommission um die WM-Vergabe 2018 und 2022 an Russland und Katar wird der Fußball-Weltverband auf unabsehbare Zeit nicht zur Ruhe kommen. Von vielen Fronten prasselten auf die Fifa jeden Tag die nächsten schlechten Nachrichten ein.

In Amerika verstärkt laut Nachrichtensender CNN die Bundespolizei FBI die Ermittlungen um die Machenschaften des Weltverbandes vor und auch nach der skandalumwitterten WM-Wahl im Dezember 2010, bei der die USA überraschend gegen Katar mit 8:14 Stimmen unterlag.

Wie angreifbar sich die Fifa mit dem Kuddelmuddel ihrer zwei unabhängigen Ethikkammern gemacht hat, zeigt die letztlich nur als Provokation zu verstehende These von Ligapräsident Reinhard Rauball, der eine europäische Fußball-Revolution nicht ausschließt. „Eine Option, über die ernsthaft nachgedacht werden müsste, ist sicherlich, dass die Uefa sich von der Fifa löst“, sagte Rauball dem „Kicker“.

An der DFB-Spitze war man über den verbalen Radikalvorschlag des eigenen Vizepräsidenten nach dpa-Informationen ganz und gar nicht amüsiert. Präsident Wolfgang Niersbach äußerte sich nicht. Rauball gilt seit langem als krasser Gegner der Katar-WM. Als Bundesliga-Frontmann stößt ihm die Termindebatte auf, die den Profivereinen im WM-Jahr 2022 Schaden bringt – und auch in der Diskussion um missachtete Menschenrechte in Katar hat sich Rauball mehrfach klar gegen das Emirat positioniert.

Bewegung kommt langsam bei der Fifa in die maximal missliche Angelegenheit. Die obersten Ethikhüter Hans-Joachim Eckert und Michael Garcia wollen sich in Kürze persönlich treffen, um die Differenzen bei der Interpretation der mehreren hundert Seiten Ermittlungsakten zu den Verfehlungen der WM-Gastgeber Russland und Katar zu besprechen.

„Wir haben momentan in der Untersuchung einen Zwischenstand“, sagte Eckert der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Sonnabend). Sein Papier sei eine Grundlage, auf der Garcia weiter untersuchen könne – besonders gegen beteiligte Einzelpersonen. Dies klingt verwirrend, hatte die Fifa das Eckert-Papier am Donnerstag noch quasi als Abschlussbericht deklariert.

Merkwürdig mutet auch an, dass sich Ankläger Garcia und Richter Eckert nun absprechen wollen. Den Eindruck von Gewaltenteilung innerhalb der Ethikdivsionen wird nicht zwingend gefördert. Sollte Garcia gar seinen Einspruch vor dem Fifa-Berufungskomitee zurückziehen, bestünde noch mehr Grund zur Annahme eines Kuhhandels.

Die Fußball-Welt fordert lauter denn je die Veröffentlichung des Garcia-Berichts, auf dessen Grundlage Eckert den viel kritisierten Freispruch für Katar und Russland formulierte. Das deutsche Fifa-Exko-Mitglied Theo Zwanziger will sich dafür stark machen. „Dies werde ich jetzt betreiben“, sagte der frühere DFB-Präsident der „Bild“-Zeitung (Sonnabend). Auch der EU-Sportkommissar Tibor Navracsics sprach sich für Transparenz aus: „Während ich nicht die Autonomie der Sportverbände angreifen will, denke ich, dass es Zeit ist, dass die Fifa alle Karten auf den Tisch legt, um die Zweifel über die Ergebnisse des Reports zu beseitigen“, sagte der ungarische Außenminister.

Medien: Beckenbauer wieder im Fifa-Visier

Auch Deutschlands Fußball-Ikone Franz Beckenbauer ist offenbar erneut ins Visier von Anti-Korruptions-Ermittlern der Ethikkommission des Weltverbandes Fifageraten. Nach Informationen der Welt am Sonntag sollen die Fahnder ihre Untersuchungen in Bezug auf den „Kaiser“ wegen einer Katar-Reise des 69-Jährigen im Oktober 2009 ausgeweitet haben.

Auf Anfrage der Zeitung äußerte sich Beckenbauer, der bei der umstrittenen Vergabe der WM-Endrunden 2018 an Russland und 2022 an Katar im Dezember 2010 der entscheidenden Fifa-Exekutive angehört hatte, mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht.

Für den Ehrenpräsidenten des deutschen Rekordmeisters Bayern München würde neuerliches Interesse der Fifa-Ermittler zum zweiten Mal binnen weniger Monate Ungemach mit dem Weltverband bedeuten. Erst im vergangenen Sommer war der Kapitän der deutschen Weltmeister-Elf von 1974 und Teamchef von Deutschlands Weltmeister-Mannschaft von 1990 von der Fifa vorübergehend für sämtliche Aktivitäten im Fußball gesperrt worden, nachdem der ehemalige Rekordnationalspieler Fragen zu den infrage gestellten WM-Vergaben vorläufig nicht beantwortet hatte.

2009 hatte Beckenbauer 14 Monate vor Katars Wahl zum WM-Gastgeber 2022 mit dem Sportberater Fedor Radmann das Emirat besucht. Der damals für Katars Rivale Australien arbeitende Radmann, mit dem Beckenbauer Deutschlands erfolgreiche WM-Bewerbung für 2006 organisiert hatte, sollte die Araber laut WamS bei der Visite zu einem Verzicht zugunsten seiner Auftraggeber bewegen.

Die Verbindung zu Beckenbauer habe durch eine Absprache bestanden, wonach Australien dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) für die Frauen-WM 2011 den Vortritt lässt und im Gegenzug Unterstützung bei seiner Kandidatur für das Männer-Turnier 2022 bekommt.