Der Abschied von Kapitän Philipp Lahm aus dem deutschen Nationalteam sorgte für viel Wirbel. Nun schreibt der Bayern-Profi in einem „Zeit“-Gastbeitrag über die Hintergründe seiner Entscheidung.

Hamburg. Der Abschied von Kapitän Philipp Lahm aus der deutschen Nationalmannschaft kam überraschend, die Entscheidung des 30-Jährigen war allerdings schon vor Monaten gereift. In einem Gastbeitrag der „Zeit“ schreibt der Bayern-Profi, dass er sich nicht vom Leistungssport treiben lassen wolle. „Mein Leben gehört mir."

Das bitter verlorene „Finale dahoam“ in der Champions League vor zwei Jahren im Elfmeterschießen gegen den FC Chelsea sei ein Knackpunkt in seiner Karriere gewesen. Lahm habe eines der besten Spiele überhaupt gemacht, „aber es hat trotzdem nicht gereicht“, schrieb er weiter in der „Zeit“. "Wir Sportler befinden uns in einer ständigen Abhängigkeit von Zufällen, von Dingen, die wir nicht beeinflussen können – manches ist einfach auch Glück."

Der sensationelle Erfolg im Folgejahr, mit dem Gewinn des historischen Triples, bestärkte den Münchner darin, „Entscheidungen zu treffen, bevor sie mich einholen.“ Die Entscheidung zum Rücktritt sei bei ihm in der vergangenen Saison gereift. „Da habe ich für mich den Entschluss gefasst, dass die WM in Brasilien mein letztes Turnier sein wird.“ Lahm will sich auf seine Führungsrolle als Kapitän beim FC Bayern konzentrieren.

Der 30-Jährige betonte, dass er auch ohne den Gewinn des WM-Titels das Nationalteam verlassen hätte. Auch zur ständigen Diskussion um seine Position im DFB-Dress äußerte sich Lahm rückwirkend: „Für mich spielte es überhaupt keine Rolle, auf welcher Position ich meine Mannschaft unterstützte."

Die Rolle als Kapitän der Nationalmannschaft war in Brasilien so intensiv wie nie. „Es geht nicht darum, auf Teufel komm raus etwas durchzusetzen. Kapitän zu sein bedeutet ein ständiges Wechselspiel zwischen einbringen und zurücknehmen." Er glaube, schreibt Lahm, "diese letzten Wochen waren der Höhepunkt der Zusammenarbeit zwischen Jogi Löw und mir".

„Ich habe die Zeit beim DFB total genossen“

Am Montag nach dem WM-Finale habe er Bundestrainer Joachim Löw beim Frühstück über seinen Schritt informiert, DFB-Präsident Wolfgang Niersbach unterrichtete Lahm am Freitagmorgen. „Ich habe mich bei ihm für zehn Jahre super Zusammenarbeit bedankt. Ich habe die Zeit beim DFB total genossen“, sagte Lahm über das Gespräch mit Niersbach.

Lahm bestritt beim WM-Finale gegen Argentinien (1:0 n.V.) sein 113. und letztes Länderspiel (fünf Tore). Danach reckte er im legendären Estadio Maracana als vierter deutscher Spielführer nach Fritz Walter (1954), Franz Beckenbauer (1974) und Lothar Matthäus (1990) den WM-Pokal in die Höhe.

Darf WM-Held Philipp Lahm so einfach aufhören?

Andeutungen über einen bevorstehenden Abschied vom DFB hatte Lahm in den Tagen nach dem Triumph nicht gemacht. Bayern-Sportvorstand Matthias Sammer sprach wohl auch deshalb von einer „sehr überraschenden Nachricht“. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge meinte: „Es gibt wohl keinen besseren Abschied als als Weltmeister auf dem Höhepunkt aufzuhören. Für die Nationalmannschaft wird es jetzt aber nicht einfach, Philipp als Spieler, Mensch und Kapitän zu ersetzen.“

Lahm hatte seine Laufbahn beim DFB bereits in der U17 begonnen und danach in jeder Altersklasse das weiße Trikot getragen. Sein Debüt in der A-Nationalmannschaft feierte er am 18. Februar 2004 in Split gegen Kroatien (2:1). Als Stammspieler auf der linken Abwehrseite bestritt er bei der EURO 2004 in Portugal sein erstes Turnier, das allerdings bereits nach der Vorrunde endete.

Bei der Heim-WM 2006 wurde der Schütze des ersten Turniertreffers mit seinen Kollegen Dritter. Im August 2007 spielte er gegen England erstmals als „Sechser“, 2008 wurde er Vize-Europameister.

Bei der WM 2010 führte Lahm die Mannschaft als Vertreter des verletzten Michael Ballack als Kapitän zum dritten Platz, nach dem Turnier übernahm er die Binde fest. Dem Halbfinal-Aus bei der EM 2012 folgte nun der Coup von Brasilien.

Mit Material von sid und dpa