Der Deutsche baute im Heim-Grand-Prix auf dem Hockenheimring seine Führung in der Formel-1-Gesamtwertung aus. Lewis Hamilton machte in den ersten 14 Runden sagenhafte 14 Plätze gut.

Hockenheim. Widersprüchlicher kann Jubel kaum sein. Während Nico Rosberg den Grid Girls die Champagnerpulle förmlich aus der Hand riss, um den Schampus vom Podest auf die Fans am Hockenheimring zu spritzen, schlurfte Teamkollege Lewis Hamilton einigermaßen lustlos vom Treppchen. Der Brite war hin- und hergerissen zwischen dem Gefühl, das Maximum aus einem durchwachsenen Wochenende herausgeholt zu haben und dem Ärger darüber, nach einer furiosen Aufholjagd nicht doch noch Zweiter geworden zu sein. Mercedes-Kollege Rosberg hingegen war sich seinen Emotionen vollkommen bewusst: pure Freude.

Rosbergs Blick war der eines Mannes, der den Moment zu genießen weiß: Vergangene Woche heiratete er seine langjährige Freundin Vivian, vor der Abreise zum Großen Preis von Deutschland setzte er seine Unterschrift unter den lukrativsten Arbeitsvertrag seiner Formel-1-Karriere. Und als vorläufigen Schlusspunkt unter diese „sehr besondere Zeit“ feierte er einen Saisonsieg, der als sein bislang leichtester in Erinnerung bleiben wird.

Vom Start weg führte der WM-Spitzenreiter das Feld an, ohne sich dabei sonderlich anstrengen zu müssen. Zwischenzeitlich betrug der Vorsprung des gebürtigen Wiesbadeners mehr als 20 Sekunden. „Das war ein tolles Wochenende“, sagte der 29-Jährige: „Nicht so toll wie meine Hochzeit, aber definitiv großartig.“ Nach dem technischen Defekt vor zwei Wochen in Silverstone/England konnte er seinen Dienstwagen beinahe pfleglich über die Strecke lenken – seine Überlegenheit erlaubte eine Fahrt im Schongang. Ganz im Gegensatz zu seinem Team-Kollegen.

Der steckte mitten im Spektakel, das sich wieder einmal hinter der Spitze abspielte. Rundenlang jagten Sergio Perez, Daniel Ricciardo, Kimi Räikkönen und Hamilton dicht gedrängt über die Strecke, phasenweise lieferten sie sich Duelle in bester Stockcar-Manier. Vor allem der britische Mercedes-Pilot, der nach seinem Qualifying-Unfall und anschließendem Getriebewechsel von Position 20 aus starten musste, scheute bei seinen Überholversuchen kein Risiko. Doch die Konkurrenten in den unterlegenen Autos hielten leidenschaftlich dagegen. Mehr als einmal blieben nach den Duellen abgesplitterte Teile auf der Strecke zurück. Bremsen ließen sich die Bruchpiloten davon nicht.

Hamilton machte in den ersten 14 Runden sagenhafte 14 Plätze gut, von seiner Knieprellung oder vermeintlichen Hemmungen nach seinem heftigen Einschlag nach Bremsversagen am Sonnabend war nichts zu spüren. „Es war nicht leicht, durch das Feld zu kommen“, sagte er: „Ich hatte heute sehr, sehr viel Spaß als Rennfahrer.“ Höhepunkt seiner Aufholjagd war ein Manöver in der Haarnadelkurve, mit dem er gleichzeitig an Ricciardo und Räikkönen vorbeizog – es war eine der spektakulärsten Aktionen dieser Saison.

Nach nicht einmal einem Drittel der Renndistanz zeigte das Tableau wieder die gewohnte silberne Doppelspitze: Rosberg führte vor Hamilton, der wenig später allerdings durch einen Boxenstopp zurückgeworfen wurde. Diesmal kämpfte er sich von Position acht aus nach vorn und nahm dabei unter anderem einen Zusammenstoß mit seinem früheren Team-Kollegen Jenson Button in Kauf. Am Ende war neben Rosberg nur Williams-Pilot Valtteri Bottas schneller. Hamilton sicherte sich Platz drei, der sich anfühlte wie ein Sieg. Zwar verlor er in der Gesamtwertung weitere zehn Punkte auf Rosberg. De facto aber betrieb der Weltmeister von 2008 in beeindruckender Manier Schadensbegrenzung und holte sich später die verdienten Glückwünsche von Konzernchef Dieter Zetsche ab. Sebastian Vettel musste wieder einmal mit weniger Komplimenten auskommen. Zwar lag der Titelverteidiger lange auf Podestkurs, wurde am Ende aber nur Vierter. „Ich denke, das war das Optimum. Schade, dass außer Apfelschorle momentan nichts drin ist.“ Immerhin beendete der 27-Jährige damit seine Negativ-Serie und landete erstmals seit dem Großen Preis von Malaysia Ende März wieder vor seinem Red-Bull-Kollegen Ricciardo, der als Sechster über den Zielstrich raste. Im WM-Klassement bleibt er Australier im teaminternen Zweikampf jedoch vorn.

Wie schon in Silverstone wurde das Rennen überschattet von einem schweren Crash kurz nach Rennbeginn. Williams-Brasilianer Felipe Massa konnte seine gute Startposition nur kurz genießen. Nachdem er in England ohne eigenes Zutun von Räikkönen (Ferrari) gestoppt worden war, wurde der 33-Jährige, der von Position drei aus ins Rennen gegangen war, von McLaren-Pilot Magnussen ausgehebelt. Kopfüber rutschte Massa mit seinem Boliden ins Kiesbett. Während Massa unverletzt aus seinem Auto kletterte, konnte Magnussen das Rennen fortsetzen. „Er hätte er aufpassen müssen. Ich konnte ihn ja gar nicht sehen. Aber das ist wohl normal bei Fahrern, die in ihrer ersten Formel-1-Saison sind“, schimpfte Massa.