Erster Heimsieg bei der diesjährigen Tour. Spitzenreiter Christopher Froome verteidigte trotz Problemen beim Schlussanstieg sein Gelbes Trikot. Alberto Contador verlor erneut Zeit.

L’Alpe d’Huez. Radprofi Christopher Froome war am Donnerstag der große Profiteur der Königsetappe nach L’Alpe d’Huez, die Gastgeber jubelten ihrem ersten Etappensieger Christopher Riblon bei der 100. Tour de France zu. Der Brite im Gelben Trikot musste den Tagessieg nach 172 Kilometern und dem zweimaligen Anstieg nach L’Alpe d’Huez zwar dem überglücklichen Franzosen überlassen. Er konnte seinen Vorsprung im Gesamtklassement aber massiv ausbauen, obwohl er zum Schluss schwächelte, weil er offensichtlich zu wenig gegessen hatte. Froomes Herausforderer Alberto Contador und Roman Kreuziger verloren wertvollen Boden.

Der 28-jährige Froome nimmt die letzten drei Etappen mit 5:11 Minuten Vorsprung auf den zweifachen Toursieger Contador und 5:32 Minuten vor dem neuen Drittplatzierten Nairo Quintana aus Kolumbien in Angriff. Nur noch ein Sturz oder eine Krankheit dürften den zweiten Tour-Erfolg eines britischen Radprofis nach Bradley Wiggins verhindern können.

Auch eine nachträgliche Zeitstrafe wird am Tourerfolg des Briten wohl nichts mehr ändern: Froome hat nach der Königsetappe eine 20-Sekunden-Strafe erhalten. Kurz vor dem Ziel in Alpe d’Huez hatte er aus einem Fahrzeug seines Sky-Teams ein zuckerhaltiges Gel erhalten. Bei der Tour ist es allerdings verboten, sich auf den letzten 20 Kilometern aus den Teamfahrzeugen versorgen zu lassen.

Ausreichend Kraft hingegen hatte Riblon. Der Franzose hatte den Amerikaner Tejay van Garderen, der rund 150 Kilometer an der Spitze fuhr, auf den letzten 2000 Metern in einem packenden Duell niedergerungen. „Fünf Kilometer vor dem Ziel habe ich dran gelaubt, dass ich es schaffe“, sagte Riblon nach seiner Heldentat.

Der älteste Tourteilnehmer Jens Voigt feierte auf der 18. Etappe einen Achtungserfolg – er fuhr als Ausreißer bis zur Mitte des letzten Anstiegs nach L’Alpe d’Huez als Ausreißer hinter van Garderen fast ganz vorn. „Die Jugend der 42 Jahre“, feierte ihn der französische TV-Reporter. Aber sechs Kilometer vor dem Ziel wurde er von Froome passiert.

Abfahrt verlief ohne schwere Stürze oder Verletzungen

Contador und Kreuziger hatten sich um die lauernden Gefahren auf der schmalen, zum Teil unbefestigten Straße hinab vom berüchtigten Col de Sarenne nicht geschert. Beide attackierten Froome, der von drei Teamkollegen beschützt wurde. Aber der geringe Vorsprung der beiden Hasardeure hielt nicht lange. Tony Martin hatte vorher gewarnt, „keine Abfahrt mit einem vergleichbaren Gefahrenpotenzial“ zu kennen. Viele Profis, auch Froome, hatten die Veranstalter im Vorfeld für die Streckenplanung kritisiert. Zum Glück lief die 15 Kilometer lange Abfahrt ohne schwere Stürze oder Verletzungen ab.

Gleich nach dem Start zur mit Spannung erwarteten Königsetappe versuchten sich verschiedene Fahrer in Attacken. Natürlich war auch wieder der große Kämpfer Voigt dabei. Er setzte sich schließlich durch und etablierte sich in einer fünfköpfigen Spitzengruppe, die den ersten Anstieg nach L’Alpe d’Huez mit über sieben Minuten Vorsprung vor dem Hauptfeld mit den Topfahrer Froome, Contador und Kreuziger angingen.

Partymeile für die Fans - Höllentrip für die Fahrer

Vor ihnen lag die Radfahrer-Hölle: Ein mit Hunderttausenden Zuschauern vollgestopfter Anstieg auf 1850 Meter, der zweimal gemeistert werden musste. Dazwischen die Abfahrt vom Col de Sarenne, die von vielen als lebensgefährlich bezeichnet wurde. Das Szenario bedeutete für die Favoriten, dass sie zunächst in moderatem Tempo hinauf nach L’Alpe d’Huez fuhren. Sie sparten ihre Energie für den finalen Anstieg in die Skistation, die zum ersten Mal in 110 Jahren Tourgeschichte auf einer Etappe zweimal angesteuert wurde.

Auf der 13,8 Kilometer langen Steigung nach L’Alpe d’Huez herrschte Karnevalsstimmung der besonderen Art. Viele Hunderttausend Zuschauer verwandelten die Strecke in eine wilde Partymeile. Am größten war die feuchtfröhliche Schar der niederländischen Fans. Sie feiern seit Jahrzehnten auf dem „höchsten Berg der Niederlande“ ihr ausgelassenes Tour-Volksfest. Diesmal platzte es aber aus allen Nähten. Die Fahrer mussten sich durch die Menschenmenge fast eine Schneise schlagen, um vorwärtszukommen. Dass alles bis zum Nachmittag ohne größere Zwischenfälle ablief, glich einem Wunder.