Auf der 16. Etappe gerieten die Favoriten ins Straucheln. Der Portugiese Costa war da längst im Ziel, als es so richtig pannend wurde.

Gap. Der Solosieger Rui Costa aus Portugal war längst im Ziel – da wurde es doch noch spannend auf der 16. Etappe der 100. Tour de France: Herausforderer Alberto Contador attackierte den Träger des Gelben Trikots, Christopher Froome, zweimal erfolglos auf dem letzten Anstieg. Auf der Abfahrt nach Gap wurde es für den Briten dann brenzlig: Mit Mühe vermied Froome einen Sturz, der das Aus hätte bedeuten können.

Auf der sehr gefährlichen, elf Kilometer langen Abfahrt kam Contador zu Fall, Froome strauchelte beim Ausweichen und musste einen Umweg über den Rasen am Straßenrand fahren. Danach begruben die beiden Topfahrer ihr Kriegsbeil für diesen Tag und erreichten gemeinsam Gap. „Dieser Vorfall hat bewiesen, dass die Tour längst nicht beendet ist“, sagte Froome. Unter dem Strich hat sich im Gesamtklassement nach 168 Kilometern nichts geändert: Froome führt vor dem zweiten Zeitfahren am Mittwoch weiter mit 4:14 Minuten vor dem Niederländer Bauke Mollema und 4:25 vor Contador.

Nach dem Vorfall nahm sich Froome Contador vor. „Contador und Fuglsang sind auf der Abfahrt zuviel Risiko eingegangen. Alberto stürzte vor mir. Ich musste von der Straße runter, um ihm auszuweichen. Meiner Meinung nach war seine Aktion auf dieser Abfahrt viel zu gefährlich. Er konnte sein Rad kaum kontrollieren“, schimpfte Froome, blieb dabei aber wie immer noch fast verbindlich. Contador verteidigte sich: „Ich hatte angekündigt, ihn weiter zu attackieren, auch wenn er souverän in Führung liegt. Der Untergrund war uneben und ich bin auf dem Geröll ausgerutscht.“

Beim Tagessieg des diesjährigen Tour-de-Suisse-Siegers Costa durfte Altmeister Andreas Klöden noch einmal kurz von seinem ersten Tour-Etappensieg in seiner langen Karriere träumen. Der ehemalige Telekom-Profi und Ullrich-Edelhelfer fuhr wie Costa in der ursprünglich 26 Fahrer starken Spitzengruppe. Immerhin sprang für den 38 Jahre alten RadioShack-Profi am Dienstag in Gap Rang fünf heraus. „Costa war zu stark, als er angegriffen hat. 500 Meter vor dem Ziel habe ich versucht, den Sprint von vorne zu gewinnen, aber ich bin kein Sprinter“, sagte Klöden.

Costa hatte sich am letzten Anstieg auf den Col de Manse allein davon gemacht und ließ sich den Vorsprung von rund 50 Sekunden, den er am Gipfel hatte, nicht mehr nehmen. Auf der komplizierten Abfahrt ins Ziel musste er dennoch mit vollem Risiko fahren, um sein Solo mit 42 Sekunden Vorsprung vor Christophe Riblon (Frankreich) abzuschließen. Aber anders als nach ihm Froome und Contador kam der Portugiese, 2010 für fünf Monate nach einem positiven Test auf eine Stimulanz gesperrt, ohne Zwischenfälle sicher herunter.

Unmittelbar nach dem Start in Vaison-La-Romaine hatten die ersten Fahrer versucht, vom Feld wegzukommen. Allmählich hatte sich eine große Ausreißergruppe gebildet, in der zunächst auch Jens Voigt und John Degenkolb, der sich für Dienstag einiges ausgerechnet hatte, fuhren. Doch sie fielen zurück und die definitive Spitzengruppe aus 26 Fahrern hatte sich gebildet.

Bei einem Vorsprung von über acht Minuten 67 Kilometer vor dem Ziel war spätestens klar, dass die Flüchtlinge Erfolg haben würden. Das Szenario kam den Topfahrern um Froome, Mollema und Contador einen Tag vor dem schweren zweiten Tour-Einzelzeitfahren entgegen. Ihre Verzweiflung auf der Verfolgung von einer geschlossenen Bahnschranke kurz aufgehalten worden zu sein, hielt sich deshalb in Grenzen.

Allerdings gab es dennoch einen heftigen Schlagabtausch. Auf dem 9,5 Kilometer langen Schlussanstieg vor der Abfahrt ins Ziel wollte es Contador noch einmal wissen. Zwei Angriffe des Spaniers konnte Froome mit Hilfe seines Teamkollegen Richie Porte aber kontern. Danach herrschte wieder „Waffenstillstand“ zwischen den Großmächten – bis zur Abfahrt.

Über 32 Kilometer zwischen Embrun und Chorges werden am Mittwoch mehr bergerfahrene Fahrer als die Spezialisten im Kampf gegen die Uhr gefragt sein. Auch deshalb rechnet sich Doppel-Weltmeister Tony Martin auf der 17. Etappe keinerlei Chancen aus. „Das wäre, als wenn ich Ansprüche auf einen Etappensieg in L'Alpe d'Huez stellen würde“, hatte der Zeitfahr-Sieger von Saint Mont-Michel erklärt.