Der erste Hamburger Sportgipfel diskutierte im Rathaus mit Olympiasiegern und Spitzenfunktionären über die Förderung der Leistungssportler.

Hamburg. Eric Johannesen, 24, hat seine Sportförderstelle bei der Bundeswehr aufgegeben und ein Studium zum Wirtschaftsingenieur begonnen. Edina Müller, 29, arbeitet wieder am Unfallkrankenhaus Boberg als Sporttherapeutin. Vor einem halben Jahr standen beide bei den Olympischen Spielen in London ganz oben auf dem Treppchen. Ruderer Johannesen vom RC Bergedorf hatte mit dem Deutschland-Achter Gold geholt, HSV-Rollstuhlbasketballerin Müller mit der deutschen Nationalmannschaft bei den anschließenden Paralympics das Endspiel gegen Australien gewonnen. Müller hatte zuvor ihre Arbeit neun Monate lang ruhen lassen, Johannesen hatte sich zwei Jahre lang auf den Höhepunkt seiner Karriere vorbereitet, im Durchschnitt 30 Stunden in der Woche.

"Mit dem Olympiasieg habe ich nicht ausgesorgt, finanziell hat er sich kaum ausgezahlt", erzählte Johannesen auf dem ersten Hamburger Sportgipfel im Kaisersaal des Rathauses, bei dem es um die Frage ging, wie deutsche Spitzensportler besser gefördert werden können. Immerhin klebte ein Sponsorenlogo (Dole) am weißen Hemdkragen des Ruderers, bei der Suche nach einem fremdfinanzierten Wagen, berichtete Johannesen, habe er aber von allen Autohändlern in Hamburg Absagen erhalten. Und einen Manager können sich weder er noch seine Achterkollegen leisten: "Die winken gleich ab. Bei dem, was wir verdienen könnten, würde deren Provision bescheiden ausfallen."

Spitzensport in den olympischen Disziplinen ist deshalb längst nicht mehr ohne staatliche und private Unterstützung möglich. Darin waren sich Gerhard Böhm, Leiter der Sportabteilung im Bundesinnenministerium (BMI), Dr. Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Dr. Michael Ilgner, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Sporthilfe, Müller und Johannesen in der von Abendblatt-Sportchef Peter Wenig geleiteten anderthalbstündigen Diskussion einig.

Rund 250 Millionen Euro investieren Bund und Länder jährlich in Strukturen und Trainingsmaßnahmen des Leistungssports, die Sporthilfe unterstützt ihre 4500 Kaderathleten mit 12,5 Millionen Euro im Jahr. In der Eliteförderung sind das abgestuft nach Erfolgen 500 bis 800 Euro im Monat, die Athleten des TopTeams erhalten für einen Zeitraum von bis zu 18 Monaten vor Olympischen Spielen 1500 Euro im Monat, wenn sie keine der 1000 Sportförderstellen bei Bundeswehr, Bundespolizei oder Zoll besetzen. Zusätzlich gibt es für Studenten Sportstipendien der Deutschen Bank, 300 Euro im Monat. Das erhalten Spitzensportler vom dritten Fachsemester an bis zum Ende ihrer Regelstudienzeit, die sie bis zu 50 Prozent überziehen dürfen.

Ohne diese finanziellen Hilfen, sagten Müller und Johannesen, hätten sie sich nicht mit der Weltelite messen können. "Aber es kann doch nicht sein", wandte Johannesen ein, "dass ich für meinen Deutschland-Trainingsanzug 150 Euro zuzahlen muss und dafür, dass ich mit dem Achter bei den Weltcups für Deutschland starten - und siegen - darf, noch einmal diese Summe. So arm kann der deutsche Sport nicht sein." Dabei hätte der Achter in den vergangenen Jahren wiederholt zugunsten anderer Boote auf teure Trainingslager im Ausland verzichtet, weil der "Deutsche Ruderverband bekanntlich klamm ist".

Dass das Geld nicht ausreiche, sei ihm bekannt, sagte BMI-Mann Böhm, "der Spitzensport ist aber einer der wenigen Bereiche im Bundeshaushalt, dessen Etat in den vergangenen Jahren nicht gekürzt worden ist, sondern sogar um zwei Prozent aufgestockt wurde". Das Problem dabei sei, sagte DOSB-Generaldirektor Vesper, "dass immer mehr Trainingslager im Ausland stattfinden und immer mehr Weltcups oder Weltmeisterschaften weit weg von Deutschland ausgetragen werden, was die Reisekosten erheblich gesteigert hat". Böhm forderte deshalb die internationalen Sportverbände zum Maßhalten auf: "Die Austragung internationaler Meisterschaften hat überhand genommen. Heute weiß doch kaum noch jemand, welche Titelkämpfe wo, wann und warum gerade stattfinden."

Wie effektiv Sportförderung ist, lässt sich am einfachsten am Gewinn von Medaillen ablesen. Doch darauf wollten weder Böhm, Vesper noch Ilgner das deutsche Fördersystem reduzieren. "Niemand zählt nur Medaillen", sagte Böhm, es werde sehr wohl die internationale Konkurrenzsituation bewertet. "Und da müssen wir feststellen", ergänzte Vesper, "dass weltweit noch nie so viel Geld in den Spitzensport geflossen ist wie im Augenblick." Geld sei indes nicht alles. Auch bei der gesellschaftlichen Anerkennung des Sports habe Deutschland Nachholbedarf. "Anderswo schmücken sich Unis mit Topathleten, wir müssen mit den Universitäten diskutieren, ob Prüfungen verschoben werden können."

An den Zielvereinbarungen für die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro, den Medaillenprognosen der Verbände, einer der Bewertungsgrundlagen für die Vergabe von Fördermitteln, wollen DOSB und BMI festhalten, sagten Vesper und Böhm. Es werde künftig jedoch keine Zahl, sondern vielmehr einen Medaillenkorridor geben, der verschiedene Szenarien, gute wie schlechte, berücksichtige. Zudem sollen die Vorhersagen nicht auf vier Jahre festgeschrieben werden. "Wir werden sie jetzt jedes Jahr überprüfen und danach neu justieren", sagte Böhm.

Eines aber wollten Edina Müller und Eric Johannesen dann doch klarstellen: Es sei allein der Spaß an der Leistung, der sie motiviere, Spitzensport zu treiben. Und dafür seien sie auch weiter gern bereit, "viele Entbehrungen auf uns zu nehmen".