Operation und bis zu neun Monate Wettkampfpause erwarten die schwer gestürzte US-Amerikanerin. Aufgeben will sie aber noch lange nicht.

Schladming. Schon kurz nach der niederschmetternden Diagnose dachte die schrecklich gestürzte Lindsey Vonn wieder an eins: Siege. Die vom Arzt auf neun Monate prognostizierte Wettkampfpause mochte die amerikanische Ausnahme-Skirennfahrerin nicht hören. „Sie meinte, es geht nicht, ich muss ja in Lake Louise wieder gewinnen“, berichtete ihr Betreuer Robert Trenkwalder am Mittwoch und betonte: „An ein Karriereende hat niemand gedacht.“

Wann und wo die Abfahrts-Olympiasiegerin wegen Kreuzband- und Innenbrandriss sowie Schienbeinkopfbruch im rechten Knie operiert wird, stand da noch nicht fest. Vermutlich soll es Anfang der kommenden Woche in den USA sein.

Schuldzuweisungen der viermaligen Gesamtweltcupsiegerin Vonn an die Ausrichter habe es keine gegeben, verriet Trenkwalder am ORF-Mikrofon. Die Medien dagegen waren voll mit Kritik. Von „Horrorsturz“ über „Anfang mit Schrecken“ bis zur in Stars-and-Stripes-Optik gedruckten Frage „Warum?“ bewerteten Zeitungen den Unfall in ihren Überschriften. Trainerkritik gab es beim offiziellen Meeting nicht, auch wenn sich viele einig waren: Viel unglücklicher hätte die als großes Ski-Fest angepriesene WM in Schladming nicht beginnen können. Ein abgebrochenes Rennen bei fragwürdigen Bedingungen und eine Verletzung des größten Alpin-Stars bei den Damen. Werbung für den alpinen Skirennsport sieht anders aus.

Ob an den TV- und Radio-Mikrofonen oder im Internet: Auf allen Kanälen gab es Besserungswünsche für die 59-malige Weltcup-Siegerin. „Eine großartige Kämpferin“, befand Super-G-Weltmeisterin Tina Maze. „Ich wünsche eine schnelle und gute Genesung.“ Auch der Super-G-Champ bei den Herren, Ted Ligety, wurde nach seinem Goldcoup am Mittwoch auf die Teamkollegin angesprochen. „Der Sturz von Lindsey hatte keinen Einfluss auf mein Rennen, aber man kann so etwas natürlich nicht einfach ausblenden“, betonte der nun zweimalige Weltmeister.

Immerhin, und das sollte alle gefreut haben, geht es ihr laut Trenkwalder „den Umständen entsprechend gut“. Er ließ, wie auch US-Teamarzt William Sterett im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AP erkennen, dass die beste Skirennfahrerin der Gegenwart sich wohl in den USA operieren lassen wird.

Vonn war am Dienstag nach einem Sprung zu Fall gekommen. Dabei verdrehte sie sich das rechte Knie. Die Serie von Missgeschicken bei und vor Großereignissen hatte den Tiefpunkt erreicht. 2007 war sie im Training bei den Titelkämpfen in Are gestürzt und hatte die WM wegen einer Bandverletzung im Knie abbrechen müssen. In Val d’Isère 2009 verletzte sie sich beim Öffnen einer Schampus-Flasche am Daumen.

Bei Olympia in Vancouver wurde sie sehr öffentlichkeitswirksam von einer Schuhrandprellung begleitet, nach einem Abfahrtstraining der WM 2011 in Garmisch klagte sie über eine Gehirnerschütterung. All das war aber nicht annähernd so schwerwiegend wie der tragische Rennunfall vom Dienstag.

Dabei war sie nach einem Winter mit Aufs und Abs überaus selbstbewusst in die Titelkämpfe gestartet. Nach zwei Pausen in dieser Saison und dem Bekenntnis zu psychischen Problemen, deren Symptome auf eine Depression hindeuteten, hatte sie in Schladming vor dem ersten Start große Zuversicht demonstriert.

„Ich fühle mich stärker als jemals vor einem Großereignis.“ Stark soll sie auch zurückkommen: Schließlich fehlen nur noch drei Weltcup-Siege auf die österreichische Rekordhalterin Annemarie Moser-Pröll – und 2015 stehen ein Jahr nach den Olympischen Spielen in Sotschi in Vail auch noch ihre Heim-Weltmeisterschaften an.