Der ehemalige Coach des FC Barcelona hatte Angebote von Clubs aus aller Welt. Jupp Heynckes hört am Saisonende in München auf.

München. Es schneite, als der FC Bayern eine neue Ära einleitete. Die Spieler hatten Feierabend, der Winter hatte die Clubzentrale an der Säbener Straße überzuckert, eine Idylle. Und als an diesem frostigen Mittwochnachmittag die Dunkelheit einbrach, verkündete der deutsche Fußball-Rekordmeister einen spektakulären Transfer. Einen Coup. Vorbei mit der Ruhe. Der FC Bayern darf sich fortan als Nabel der Fußballwelt fühlen. Was für ein Tag für Präsident Uli Hoeneß, 61. Der strahlte.

Josep "Pep" Guardiola übernimmt zur neuen Saison das Traineramt bei den Münchnern. Der begehrteste Trainer der Welt kommt nach Deutschland. Der Mann, der in vier Jahren mit dem FC Barcelona 14 Titel gewann, darunter zweimal die Champions League. Der Mann, an dem der AC Mailand, Manchester City, Manchester United sowie Paris St. Germain interessiert waren. Und viele Clubs mehr. Der Mann, der ein Angebot des FC Chelsea ausschlug, obwohl er dort angeblich 22 Millionen Euro pro Jahr hätte verdienen können. Dieser Mann hat bei den Bayern - schon kurz vor Weihnachten - einen Vertrag bis zum 30. Juni 2016 unterschrieben, "weil ihn das Projekt reizte und nicht das Geld", wie sein Berater Jose Maria Orobitg am Mittwoch sagte.

Dem Klub ist es in den vergangenen Monaten gelungen, die Verhandlungen geheim zu halten. Sie wurden ausschließlich im Ausland geführt. Jetzt sind alle stolz. "Guardiola ist einer der erfolgreichsten Trainer der Welt, und wir sind sicher, dass er nicht nur dem FC Bayern, sondern auch dem deutschen Fußball viel Glanz verleihen kann", sagte Clubchef Karl-Heinz Rummenigge, 57. Der Verein wird den im Sommer endenden Kontrakt von Jupp Heynckes nicht verlängern. Wie erwartet wird der 67-Jährige nach 34 Jahren als Trainer im Sommer in Rente gehen.

Am Mittag hatten sich die Verantwortlichen der Bayern zu abschließenden Verhandlungen getroffen. Laut Angaben des Vereins teilte Heynckes dem Vorstandsvorsitzenden Rummenigge in diesem Gespräch mit, dass er seine Laufbahn als Trainer nach der Saison beenden wird. Dies hatte Heynckes bereits im Winter durchblicken lassen, allerdings nie öffentlich bestätigt. "Für diese Entscheidung müssen wir als Club, aber auch als Freunde von Jupp Verständnis aufbringen", sagte Rummenigge. Heynckes ist als ehemaliger Trainer von Real Madrid Liebhaber des spanischen Fußballs. Er freut sich, dass die Wahl auf Guardiola fiel.

Guardiola hatte bis zum vergangenen Sommer den FC Barcelona trainiert und verbringt derzeit mit seiner Familie ein Sabbatjahr in New York. "Als Nachfolger für Heynckes kam nur ein Trainer vom Kaliber eines Guardiolas infrage", sagte Hoeneß. Der Spanier spielte elf Jahre für Barcelona, später unter anderem für Brescia Calcio und den AC Rom. Er absolvierte 47 Länderspiele für Spanien und gilt als einer der besten Trainer überhaupt. Er ist mit 41 Jahren noch jung und trotzdem erfahren. Erfolgreich und trotzdem noch hungrig. Seriös und trotzdem nicht langweilig. Das perfekte Aushängeschild. Das Person gewordene "Mia san mia". Guardiola ist für den FC Bayern eine große Chance. Die Chance, sich dem FC Barcelona zu nähern. Die Chance, Borussia Dortmund auf Abstand zu halten. Und vor allem die Chance, den europäischen Fußball zu prägen. Guardiola ist, wie Rummenigge sagt, auch eine Chance für den deutschen Fußball. An den Beispielen von Sami Khedira und Mesut Özil von Real Madrid haben vor allem die Nationalspieler gesehen, dass ein Wechsel nach Spanien sie besser machen könnte. Jetzt kommt Spanien zu ihnen. Guardiola bringt frische, ganz neue Einflüsse. Er kann die Bundesliga besser machen. Somit die Nationalspieler, somit die Nationalmannschaft. Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke sagte dem Abendblatt: "Großes Kompliment an die Bayern, dass ihnen dieser Coup gelungen ist. Das tut der gesamten Liga gut, weil die ganze Welt beobachtet, dass es gelingt, solch einen Trainer nach Deutschland zu holen."

Und was für ein Zeichen das für die Spieler der Konkurrenz ist! Erst verpflichten die Bayern Matthias Sammer als Sportvorstand, dann kaufen sie für 40 Millionen Euro Javi Martinez, jetzt verpflichten sie Guardiola. Der Club hat damit die Voraussetzungen geschaffen, um der beste Verein Europas zu werden. Ein Teil davon zu sein, dass dürfte viele Profis reizen. Hoeneß und Sammer könnten ihrem Ziel näher kommen, einen "FC Deutschland" mit den besten Spielern des Landes aufzubauen.

+++ Kommentar: Ritterschlag für die Bundesliga +++

Guardiola ließ Barcelona das berühmte Tiki-Taka perfektionieren. Einen Spielstil, der sich durch schnelles Kurzpassspiel und hohen Ballbesitzanteil auszeichnet. Ist das auf den FC Bayern übertragbar? Ein System ohne richtigen Stürmer? Wohl nicht. Aber das ist auch nicht Guardiolas Aufgabe. Er soll etwas Eigenes, Neues entwickeln. Der FC Bayern dürfte sich unter ihm deutlich verändern. Alles umkrempeln zu wollen, wie es Jürgen Klinsmann machen wollte, diesen Fehler wird Guardiola wohl nicht begehen.

Egal, wen die Bayern noch kaufen: Heynckes wird ihm eine Mannschaft übergeben, welche alle Voraussetzungen für den Angriff auf den Champions-League-Titel besitzt. Unter Trainer Louis van Gaal hatte sie gelernt, wie sie zu großem Ballbesitz kommt. Heynckes hat sie darauf aufbauend flexibler und stabiler gemacht. Und die Spieler in körperlich guten Zustand gebracht.

Es ist verständlich, dass sich der FC Bayern für Guardiolas Verpflichtung von einem Prinzip verabschiedet, dass er sich nach der Amtszeit des Italieners Giovanni Trapattoni zu eigen gemacht hatte: Unser Trainer muss Deutsch können. Die Verantwortlichen sind sicher, dass der Spanier die Sprache schnell lernen wird. In München machen einige sogar schon Scherze: Guardiola sei so motiviert und intelligent, der werde bei seinem Amtsantritt nicht nur deutsch, sondern auch bayerisch sprechen. Servus, Uli, i bin der Pep!

Warum aber hat sich Guardiola für den FC Bayern entschieden?

Ihm imponiert die Tradition und Philosophie des Vereins. Der FC Bayern steht für solides Wirtschaften. Der Anspruch des Klubs ist so hoch, dass es immer noch besser geht. Gehen muss. Das gefällt Guardiola. Und er weiß es zu schätzen, dass ihm in München kein Investor Vorschriften macht. Bis er sein Amt antritt, erwartet die Clubführung Titel. Und nimmt die Mannschaft in die Pflicht. "Nach der Entscheidung von Heynckes, dem wir für seine Arbeit extrem dankbar sind, würden wir uns freuen, wenn das Team diesem großen Trainer den verdienten glanzvollen Abschied schenken würde", sagte Hoeneß.

Am Freitag wird Josep Guardiola 42 Jahre alt. Er kann auf einen neuen Lebensabschnitt anstoßen.