Der Selbstmord von Robert Enke erschütterte im November 2009 die Fußballwelt. Die Sportler gehen mit Depression nun anders um.

Aachen. Robert Enke und die Depression. Der Selbstmord an einem Bahnübergang, eine zutiefst erschütterte Teresa Enke in einer Pressekonferenz, der Sarg einsam auf dem Mittelkreis im Stadion, die 40.000 Menschen – die Eindrücke von den Ereignissen im November 2009 sind wie von gestern. Es gab sie, die Forderungen nach mehr Menschlichkeit im Fußball. Was auch sonst. Es hat sich etwas verändert, meint der Sportpsychiater Professor Frank Schneider. Auch wenn das Geschäft nach wie vor knallhart ist. Psychisch kranke Spitzensportler suchen eher Hilfe als früher.

„Wir haben ganz viele Anfragen von Leistungssportlern, die sich vor Enke nicht gemeldet hätten“, sagte Schneider. Der Mediziner koordiniert ein neues und bundesweites Netzwerk für psychisch kranke Spitzensportler an acht deutschen Universitätskliniken. Kräftezehrendes Training, Wettkampfdruck und Leistungsvorgaben, da können Seelen schlapp machen. Angst, Schlaf- und Essstörungen und Depressionen können Folgen sein. Robert Enke hatte Angst zu versagen. Er schwieg.

Vor seinem Tod haben das viele andere auch getan. Jetzt kommen sie, weil sie nicht so enden wollen wie Robert Enke, sagt Schneider. Im Fußball seien das junge Kerle ohne große Lebenserfahrung, scheu. Auf dem Höhepunkt ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit wollen sie viel Geld verdienen. Krankheit passt da nicht ins Bild. „Und wenn sie dann eine psychische Krankheit haben, dann denken viele – auch die Berater: Jeder Makel ist schlecht“, sagt Schneider.

Robert Enke vor Augen machen viele doch den Schritt in die Beratung. Es sind nicht nur Fußballer – auch der Sportler, der für die Olympischen Spiele in London trainierte. In der Regel will niemand, dass die Krankheit öffentlich wird. Sie kommen dann zum Arzt, wenn andere schon weg sind. „Jemand, der bekannt ist, der kommt lieber in der Dunkelheit“, sagt Schneider. Mit der Zeit lege sich das. Die Behandlung werde mit der Zeit selbstverständlicher, auch weil sie sehen, dass andere das gleiche Problem haben.

Im Umfeld der Sportler sei die Sensibilität für psychische Erkrankungen in den letzten Jahren gestiegen. Angehörige melden sich, weil „irgendwas nicht stimmt“. „Wir haben aber auch Anfragen von Spielerberatern, Präsidenten oder Trainern“, sagt Schneider. Das passiert diskret, im Verborgenen. Man redet nicht darüber.

Schneider erzählt von Markus Miller, der nach seiner psychischen Erkrankung wieder bei Hannover 96 spielt. „Vor einem Jahr wurde bei einer Pressekonferenz gesagt: „Er hat eine Depression. Der ist jetzt eine Weile weg“.“ Nach einigen Monaten sei Miller wiedergekommen und spiele wieder. Für den Arzt vorbildlich.

Aber es gebe eben auch noch immer Fälle wie die von Andreas Biermann, der früher beim Hamburger SV spielte. Auch er outete sich und spielt jetzt nicht mehr. „Er sagt, wenn er diesen Schritt nicht gemacht hätte, hätte er noch einen Vertrag als Bundesliga-Profi“, berichtet Schneider.