Die Rede Theo Zwanzigers auf der Trauerfeier für Robert Enke blieb im Gedächtnis. Doch hat sich danach wirklich etwas verändert?

Berlin. Im schwierigsten und traurigsten Moment seiner Amtszeit gelang DFB-Präsident Theo Zwanziger einer der bemerkenswertesten Auftritte. Bei der Trauerfeier für Nationaltorwart Robert Enke am 15. November 2009 appellierte der tief bewegte Chef des Deutschen Fußball-Bundes in seiner Rede an die Menschlichkeit und forderte einen Blick über den Sport hinaus. „Fußball ist nicht alles. Denkt nicht nur an den Schein. Denkt auch an das, was in den Menschen ist, an Zweifel und Schwäche“, sagte Zwanziger fünf Tage nach dem Freitod Robert Enkes, der an Depressionen gelitten hatte.

+++THEO ZWANZIGERS REDE IM WORTLAUT+++

Und am Ende seiner Ansprache sagte der DFB-Präsident: „Ein Stück mehr Menschlichkeit, ein Stück mehr Zivilcourage, ein Stück mehr Bekenntnis zur Würde des Menschen, des Nächsten, des Anderen. Das wird Robert Enke gerecht.“ Und heute, ein Jahr danach? Was ist geblieben von Appellen, von Aufrufen zu Zivilcourage? Erleben wir mehr Menschlichkeit im Mikrokosmos Fußball? Mehr Fairplay und Respekt?

„Von den Fans erwarte ich nicht, dass sie von heute auf morgen anders sind. Das sind Menschen unterschiedlichen Bildungsgrades, da sind Emotionen, da geht es ums Gewinnen“, sagte Zwanziger in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa. „Was sich nun in unserer Gesellschaft seit dem schrecklichen Tod von Robert Enke geändert hat, das kann man nicht messen. Das sind Prozesse, die viele Jahre dauern. Für mich ist es jedenfalls gut, dass man sich ein Jahr danach wieder so intensiv mit diesem Thema beschäftigt“, betonte Zwanziger.

Zwischen November 2009 und November 2010 jedoch ließen die Themen Wettbetrug, Spielmanipulation, Gewaltausbrüche in den Stadien, Schiedsrichter-Affäre oder Trainerrauswürfe die Forderungen Zwanzigers nach Fairplay und Respekt zu Worthülsen verkommen.

Einen bemerkenswerten Satz sagte der damalige Stuttgarter Teamchef Markus Babbel, nachdem VfB-Fans vehement und lautstark seine Ablösung gefordert hatten. „Vier Wochen nach der Tragödie um Robert Enke“ verrate das, „dass die Fans und die gesamte Fußballszene daraus nichts gelernt haben“.

Es war jedoch nicht zu erwarten, dass sich im Fußball Grundsätzliches ändert. „Durch Reden alleine löst man natürlich keine Probleme“, räumte auch Zwanziger ein. „So schrecklich so eine Situation ist: Entscheidend ist zunächst einmal das Innehalten und das Nachdenken. Auch darüber nachzudenken, wie man helfen kann.“

Der DFB tat dies und gründete gemeinsam mit der Deutschen Fußball Liga und Enkes Verein Hannover 96 die Robert-Enke-Stiftung, um Maßnahmen und Initiativen, die der Aufklärung, Erforschung und Behandlung der Krankheit Depression dienen, zu fördern. Enkes Witwe Teresa ist Vorstandsvorsitzende der Stiftung. Anlässlich des ersten Todestages unterstützt das deutsche Nationalteam mit einer finanziellen Spende die Stiftung. Von 200 000 Euro ist die Rede.

Aber hat es die Stiftung geschafft, das Thema Depression zu enttabuisieren? Vor wenigen Tagen, beim DFB-Bundestag in Essen, sagte Zwanziger: „Eines hat geklappt: Dass man Depressionen als Volkskrankheit einschätzt. Die Bereitschaft zur Hilfe und sich helfen zu lassen könnte etwas gewachsen sein. Ich glaube schon, dass es eine leicht enttabuisierende Wirkung gehabt haben könnte.“