Die Nationalelf, der DFB, die DFL und Hannover 96 legten Kränze nieder. In Hannover wird heute mit einem stillen Trauermarsch gedacht.

Hannover. Robert Enke wusste keinen Ausweg mehr. Zwei Jahre ist es jetzt her, dass sich der ehemalige Nationaltorhüter vor einen Zug warf. Besiegt von einem unsichtbaren Feind: Depressionen. Zum Gedenken an den einstigen deutschen Nationaltorhüter hat die deutsche Nationalmannschaft ihrem verstorbenen Teammitglied gedacht. DFB-Vizepräsident Karl Rothmund legte am Donnerstag im Auftrag der Mannschaft, des Trainerteams und des Betreuerstabs einen Kranz am Grab von Enke auf dem Friedhof Empede bei Hannover nieder. „Wir haben Robert immer im Herzen. Unsere Gedanken sind heute bei seiner Frau Teresa und der gesamten Familie“, teilte Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff in Hamburg mit.

Sein letzter Verein Hannover 96, der DFB, die DFL und die Robert-Enke-Stiftung erinnerten ebenfalls mit Kränzen und Gestecken an den früheren Fußball-Profi. An der Zeremonie auf dem Friedhof nahmen unter anderem die Witwe Teresa Enke, Geschäftsführer Jan Baßler von der Robert-Enke-Stiftung und Enkes früherer Manager und Freund Jörg Neblung teil.

Nach Angaben der Stiftung veröffentlichte zudem ein Großteil der 36 deutschen Profi-Vereine über ihre jeweilige Facebook-Seite eine Meldung zum Gedenken an Enke. Der FC Barcelona, für den der Torwart auch spielte, beteiligte sich ebenfalls an der Initiative.

Doch was hat sich zwei Jahre nach dem tragischen Freitod Enkes geändert? Das Fußballgeschäft würde nie wieder dasselbe sein - das war das Gefühl in dieser von Trauer erfüllten Nacht vom 10. November 2009. Doch mittlerweile keimt die Hoffnung, dass Enkes Tod auch etwas Positives bewirkt hat.

„Wir haben zumindest eine größere Akzeptanz, ein Bewusstsein für die Krankheit geschaffen“, sagte Martin Kind, Präsident von Hannover 96. Und auch Jan Baßler, Geschäftsführer der Robert-Enke-Stiftung, glaubt: Allein die Tatsache, dass in der Öffentlichkeit über seelische Erkrankungen und Belastungen im Leistungssport dikutiert wird, sei ein Fortschritt.

„Der Umgang mit dem Thema Depression hat sich sicher verändert“, sagte Baßler, „die Sensibilität, auch bei den Medien, ist geschärft. Wir befinden uns auf dem richtigen Weg.“ Zuletzt hatten unter anderem Ralf Rangnick, Markus Miller, Martin Fenin und Michael Sternkopf öffentlich gemacht, dass sie unter mentaler Erschöpfung leiden.

Doch längst nicht alle Betroffenen sprechen offen über ihre Verletzungen an der Seele - aus Angst, Schwäche zu zeigen in einem Geschäft, in dem nur die Stärksten erfolgreich sind. Frank Schneider, Direktor für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Uniklinik Aachen sagte: „Wir haben noch immer Patienten, die unter einem anderen Namen geführt werden.“

Aufklärungsarbeit, wie er sie als Kuratoriums-Mitglied der Robert-Enke-Stiftung betreibt, hält Schneider für unabdingbar. „Die Leute müssen verstehen, dass eine Depression sehr gut behandelbar ist, wie eine Grippe“, sagte Schneider. Viele Sportler würden nicht zu ihrer Erkrankung stehen. „Bei ihnen ist es dann halt die Achillessehne“, sagte Schneider. Einen völlig normalen Umgang mit mentalen Problemen wird es im Spitzenberich wohl nie geben, glaubt Baßler: „Im Leistungssport wird es nie zu einer vollkommenen Enttabuisierung kommen.“

Auch Ex-St.-Pauli-Profi Andreas Biermann litt unter Depressionen. Enkes Tod hat ihm das Leben gerettet. Dass er krank war, hat er überhaupt erst bemerkt, als Teresa Enke die Krankheit ihres Mannes öffentlich machte. Da hatte er schon einen Selbstmordversuch hinter sich. Die Angst, „Enkes Geschichte hätte meine sein können“, hat ihn dazu gebracht, über seine Depressionen zu berichten. Heute sagt er über seine Entscheidung: „Menschlich war es damals der einzig richtige Schritt. Beruflich hingegen bereue ich mein Bekenntnis“, sagte Biermann, „ich habe dadurch meinen Job verloren. Für meine Familie war das dramatisch.“ Bei St. Pauli wurde sein auslaufender Vertrag nicht mehr verlängert, andere Klubs lehnten eine Verpflichtung Biermanns ab, nach eigener Aussage unter Bezug auf die Krankheit.

Hannover 96 wird seinem ehemaligen Kapitän heute in aller Stille gedenken. „Wir werden am Grab Enkes einen Kranz niederlegen“, sagte Kind. Darüber hinaus hat man in enger Abstimmung mit der Robert-Enke-Stiftung die Klubs der ersten und zweiten Bundesliga aufgerufen, auf ihren Facebook-Seiten ein Diskussionsforum zum Thema zu posten. Mehrere hundert Menschen erinnerten am Abend mit einem Trauermarsch an Enke. Die rund 300 Teilnehmer gingen gegen 18.30 Uhr von der Innenstadt zum Stadion des Fußball-Bundesligisten Hannover 96. Dort legten sie zum Gedanken an den früheren Torwart Blumen ab oder stellten Kerzen und Grablichter auf. Der ehemalige 96-Profi und Keeper der Nationalmannschaft, der unter Depressionen litt, hatte sich vor zwei Jahren am 10. November 2009 in der Nähe von Hannover das Leben genommen. (sid/dpa)