Es muss fast genau zehn Jahre her sein, als Niels Findeisen in seinem Büro saß und sich eine ziemlich große Frage stellte: Was willst du noch erreichen im Leben? Er war damals 34 Jahre alt, hatte sein Maschinenbaustudium erfolgreich abgeschlossen und den Berufseinstieg geschafft. Kurzum: Findeisen hatte viele Ziele erreicht, es musste ein neues her.

Hamburg. Einmal an einer Weltmeisterschaft teilnehmen, das wäre es doch! Verrückt? Vielleicht. Aber die Sache wurde bald konkreter. Ein früherer Klassenkamerad aus Buchholz nahm Findeisen mit zum Schießen. Er drückte ihm eine Perkussionspistole in die Hand, und sie fühlte sich gleich vertraut an. "Ich konnte es auf Anhieb", erinnert sich Findeisen. Tja, und zehn Jahre später hatte er es nicht nur tatsächlich zur WM im Vorderladerschießen geschafft, sondern darf sich sogar Weltmeister nennen. Im australischen Adelaide gewann der 44-Jährige im August den Mannschaftstitel mit der Perkussionspistole, dazu Bronze im Team mit der Steinschlosspistole und im Einzel mit der Luntenschlosspistole.

Peng! Klingt ganz einfach, aber dahinter steckt nicht wenig Arbeit und Geld. Drei- bis viermal pro Woche steht Findeisen am Schießstand des Schützenvereins Buchholz und Umgegend von 1901, jeweils zwei bis drei Stunden. Die Vor- und Nachbereitung zu Hause dauert mindestens noch einmal so lange: Pulver abwiegen, Waffe reinigen, Abzug tunen. Sogar seine Bleikugeln gießt Findeisen selbst.

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Überschlägig 50.000 Euro hat der alleinstehende Diplomingenieur bisher in seinen Sport gesteckt, davon knapp die Hälfte für Waffen. Vom Verdienstausfall gar nicht zu reden: Findeisen montiert Windkraftanlagen in aller Welt, seit sieben Jahren ist er selbstständig, "sonst ginge so ein Hobby gar nicht". Der Lohn? Ein Eintrag ins Goldene Buch, Urkunden, hier und da ein Zeitungsartikel. "Man freut sich über die kleinen Dinge." Die wichtigste Voraussetzung, um ein guter Schütze zu sein, kann man sich allerdings nicht kaufen: Konzentrationsfähigkeit. Man könne zwar nicht ausblenden, was im Wettkampf um einen herum geschehe, erzählt Findeisen: "Ich registriere alles." Man dürfe sich nur nicht davon aus der Fassung bringen lassen. Findeisen, ein gemütlicher Typ mit sorgfältig gestutztem Bart, hat das nicht trainiert, er bringt diese Gabe mit.

Ausgerechnet er! "Im Schulzeugnis stand: Lässt sich leicht ablenken", erinnert er sich lachend. Auch die Zensuren waren wenig erfreulich, mit Ach und Krach schaffte er die Mittlere Reife und ergatterte einen Ausbildungsplatz als Kfz-Mechaniker. Irgendwann während der Lehre habe es dann Klick gemacht: "Ich dachte mir: Die Meister haben was drauf, das will ich auch schaffen." Findeisen setzte sich in der Berufsschule weg von den Störenfrieden. Er gab sich neue Ziele und verfehlte keines: machte sein Fachabitur, ging nach Hamburg zum Studieren, gewann mit seiner Diplomarbeit sogar einen Preis. Peng, peng, peng!

Jetzt ist er Weltmeister, mehr geht nicht in einer nichtolympischen Disziplin. Nach der Rückkehr aus Australien wollte er ein paar Monate lang nichts vom Schießen wissen. Inzwischen kribbelt es schon wieder. Aber eigentlich muss jetzt ein neues Ziel her. Findeisen wüsste da etwas: "Mein Haus in Stelle will ich unbedingt weiterbauen. Seit drei, vier Jahren werkle ich schon daran herum." Es wird sicher ein Volltreffer werden.