Der 22 Jahre alte Bayer bezwang den an Nummer eins gesetzten Franzosen Gilles Simon in drei Sätzen.

Hamburg. Im Moment des überraschenden Triumphs wusste Daniel Brands nicht genau, was er zu tun hatte. Um 21.50 Uhr riss der 22-Jährige erst die Arme in die Höhe, dann legte er den Kopf in den Nacken und blickte gen Himmel, als wolle er höheren Mächten für das danken, was er soeben auf dem Centre-Court am Hamburger Rothenbaum vollbracht hatte. Erst als ihn Stadionsprecher Matthias Killing dazu animiert hatte, ließ sich Brands dazu hinreißen, mit den rund 4000 verbliebenen Fans zweimal die "La Ola" zu starten. "Die Unterstützung der Fans war unbeschreiblich. Ohne sie hätte ich es niemals geschafft heute", sagte der sichtlich bewegte Bayer nach dem spannenden Spiel.

Was er geschafft hatte, geht als die erste Sensation der International German Open 2009 in die Annalen ein. Nach einer streckenweise überragenden Leistung hatte der in Deggendorf geborene und in Bogen zwischen Regensburg und Passau wohnhafte Weltranglisten-120. den Franzosen Gilles Simon in der zweiten Runde aus dem Turnier geworfen. Simon, derzeit an Position sieben der Weltrangliste geführt, war in Hamburg an Nummer eins gesetzt und als haushoher Favorit in die Partie gegangen. Im Aufschlaggewitter des 196-cm-Hünen ging der teils lustlos wirkende Franzose jedoch baden.

Brands spielte sich nach dem mit 3:6 verlorenen ersten Satz in einen Rausch, punktete vor allem mit seiner knallharten Vorhand, wusste jedoch auch mit sehenswerten Stopps und Überkopfbällen zu glänzen. Mit 6:4 gewann er den zweiten Satz, und nach 2:11 Stunden nutzte er seinen fünften Matchball - bezeichnenderweise mit einem Ass im zweiten Aufschlag - zum 3:6, 6:4, 6:3-Erfolg, den er selbst nicht richtig glauben konnte. "Es war mein erstes Match gegen einen aktuellen Top-Ten-Spieler, und dann so eine Leistung - Wahnsinn! Wenn ich so weiterspiele, kann ich noch einige Matches gewinnen", sagte der Youngster.

Auf jeden Fall hat der Aufschlagriese ("Das ist meine stärkste Waffe, die ich täglich trainiere") das Potenzial, schon in naher Zukunft sein Jahresziel, den Sprung in die Top 100 der Welt, zu realisieren. Ein wenig traurig ist er, dass die Sandplatzsaison sich dem Ende zuneigt, denn als einer von ganz wenigen deutschen Profis fühlt sich Brands auf diesem Untergrund besonders wohl. "Ich bin auf Sand aufgewachsen, aber ich kann auch auf Hartplatz oder Rasen gut spielen", sagt er selbstbewusst.

Nach der zehnten Klasse verließ Brands, dessen drei Brüder Tennis nur als Hobby betreiben, das Gymnasium mit der mittleren Reife, um sich komplett auf die Tenniskarriere zu konzentrieren. Seit 2005 ist er im Leistungszentrum des Bayrischen Verbands stationiert, trainiert dort seit einem Jahr mit Markus Wislsperger, der ihn auf der ATP-Tour stets begleitet. Dem Duo ist bewusst, dass es - trotz des jüngsten Erfolgs - noch viel Entwicklungspotenzial gibt. "Mir fehlt vor allem die Konstanz, über eine ganze Woche meine beste Leistung abzurufen", sagt Brands, der auch gestern in einigen Situationen zu hektisch agierte. Vor allem aber muss er sein Spiel am Netz verbessern, wo er sich nach eigenem Bekunden "noch nicht so wohl" fühlt. Seine Stärke sei derzeit eher der zweite Ball nach dem Aufschlag. "Wir arbeiten aber verstärkt daran, mein Serve-and-volley-Spiel zu perfektionieren."

Zunächst einmal lebt Brands' Traum von einem Endspiel gegen Philipp Kohlschreiber (25; Nr. 24 der Welt) weiter. Auch, weil der Augsburger sein über weite Strecken hochklassiges Zweitrundenmatch gegen den Italiener Potito Starace (28; Nr. 94) mit 6:2, 4:6, 6:4 gewann und damit das Achtelfinale erreichte, wo morgen Pablo Cuevas aus Uruguay, die Nummer 107 der Welt, der (schlagbare) Gegner ist. Brands muss auf dem Weg ins Finale mit Paul-Henri Mathieu (27; Nr. 39) den nächsten Franzosen ausschalten. "In der Form von heute ist vieles möglich", sagt er.