Mit der ihm eigenen, gewachsenen Autorität hat Magath binnen kurzem ein Optimum „auf Schalke“ geschaffen.

Düsseldorf. An den 4. April 2009 wird sich Felix Magath leidenschaftlich gern zurückerinnern: An jenem Tag gewann sein VfL Wolfsburg gegen Bayern München 5:1, düpierte Jürgen Klinsmanns Mannschaft. Grafite erzielte eine Art „Jahrhundert-Tor“ der Fußball- Bundesliga, die Basis für den späteren Meister-Coup der Niedersachsen war gelegt. 364 Tage später könnte sich ein Kreis zumindest teilweise schließen: Gewinnt Magath am Samstag mit seiner Schalker Rasselbande erneut gegen sein einstiges Star-Ensemble von der Isar, steigen die königsblauen Chancen auf den ersten Titel seit 1958 – nicht enorm, aber immerhin. „Wir haben den einen oder anderen Vorteil“, konstatierte Magath schon nach dem 2:0 in Leverkusen, mit dem Schalke die Spitzenposition übernahm.

Der größte Vorteil der Gelsenkirchener indes lässt sich personifizieren: Es ist Magath selbst. Der Mann „lebt“ Fußball, arbeitet rund um die Uhr, ist omnipräsent, diplomatisch im Umgang mit den Medien, kein Dampfplauderer wie etliche andere der Trainerzunft. Und er ist einer, der das Komplizierte liebt, die ultimative Herausforderung. Wie sonst hätte er Wolfsburg verlassen können, wo sie ihm Denkmäler setzen wollten nach dem Triumph des Jahres 2009. Doch Stillstand oder das Ausruhen auf einem Erfolg sind nicht Magaths Ding. Er will weiter, Grenzen ausloten. So wie „auf Schalke“, wo er nicht mit Geld spielen kann wie in der Autostadt Wolfsburg mit einem höchst potenten Sponsor im Rücken. „Es ist vielleicht meine schwierigste Mission“, sagte der heute 56-Jährige, als er am 22. Juni 2009 zu seinem Amtsantritt in Gelsenkirchen eintraf – mit 70 Minuten Verspätung wegen eines Staus. So etwas würde er bei seinen Spielern kaum entschuldigen, weil Disziplin, auch die zeitliche, zu den Maximen des Trainer-Managers gehört. Klare Vorgaben sind sein Gebot, er will bewusst nicht der väterliche Freund seiner Spieler sein, die ihn – klar – siezen, während er sie duzt. Das sind Machtverhältnisse, die er haben will, die er sich spätestens mit der Übernahme der Doppelfunktion als Coach und „Macher“ beim VfB Stuttgart im Jahr 2001 zu eigen machte.

Bei Schalke ist er Vorstandsmitglied – was ihm hilft, seine Ansprüche geltend zu machen. „Je komplizierter die Aufgabe, desto mehr Macht ist nötig“, vertraute er der „WirtschaftsWoche“ an. Mit der ihm eigenen, gewachsenen Autorität hat Magath, der als Trainer Bayern München (2005 und 2006) und im letzten Jahr Wolfsburg zum Titel führte, binnen kurzem ein Optimum „auf Schalke“ geschaffen, mangels finanzieller Masse junge Spieler integriert, aus Kevin Kuranyi alles herausgekitzelt, was der Torjäger so lange vermissen ließ. Und er hat etwas versprochen: die Meisterschaft. In den vier Jahren seiner Vertragslaufzeit will er das möglich machen, obwohl ihm auch „mulmig“ war angesichts des Fakts, dass ihm spätestens seit Wolfsburg eine Art „Messias“-Ruf anhaftet.

Ein Messias will er nicht sein, aber einer, der höchst professionell arbeitet und das auch von den Seinen verlangt. „Ein Mitarbeiter, der eine sechs- oder siebenstellige Summe pro Jahr verdient, muss keinen Acht-Stunden-Tag haben. Er muss seinem Arbeitgeber Tag und Nacht zur Verfügung stehen“ – das ist ein Credo Magaths, der sich nicht berechenbar machen lässt von den Spielern. Trainingspläne sind die Überraschung, keiner soll sich auf einen programmierten freien Tag einstellen können, um mit seiner Frau mal rasch zum Shopping nach Mailand zu fliegen. Disziplin, Arbeit, Erfolg – das sind, auch in dieser Reihenfolge, die Grundlagen, auf denen Magaths Wirken beruht. Und sollte es am 8. Mai tatsächlich zum erneuten Coup kommen, werden sie ihm auch in Gelsenkirchen ein Denkmal bauen. Falls nicht: Dann arbeitet Wolfgang Felix Magath weiter. Akribisch, ehrgeizig, rund um die Uhr.