Der Repräsentant der Bundesregierung unterstützte die deutsche Mannschaft in Kanada und betrieb internationale Lobbyarbeit.

Vancouver. Thomas de Maizière (56), als Bundesinnenminister für den Sport in Deutschland zuständig, hat als ranghöchster Repräsentant der Bundesregierung die ersten Tage der Olympischen Winterspiele vor Ort in Vancouver und Whistler erlebt. Er feuerte die deutsche Mannschaft an, sprach mit den Sportlern und unterstützte die Münchner Bewerbung für die Winterspiele 2018. Vor dem Rückflug nach Berlin sprach das Abendblatt mit dem CDU-Politiker.

Hamburger Abendblatt:

Herr Minister, das erste Gold für Deutschland ist eingefahren, können Sie jetzt beruhigt zurückfliegen?

Thomas de Maizière:

Die Sache hat gut begonnen, und sie wird gut weitergehen, davon bin ich überzeugt. Es kommen ja auch noch Kollegen von mir, so dass die deutsche Mannschaft auf die Unterstützung der Politik nicht verzichten muss. Aber im Ernst: Wir haben hervorragende Athleten, die hier erneut beweisen, dass sie zu Recht zu den Besten der Welt gehören.

Abendblatt:

Welche Eindrücke nehmen Sie aus Vancouver mit?

de Maizière:

Sehr positive. Die Organisation ist bestens, ich bin beeindruckt von den Tausenden Freiwilligen, über deren Professionalität und Freundlichkeit, selbst wenn sie persönlich nie etwas von den Wettbewerben mitbekommen. Die Stimmung in der deutschen Mannschaft wird getragen von einem außerordentlichen Teamgeist. Das ist wirklich eine Mannschaft. Der Zusammenhalt wird dazu führen, dass Siege gemeinsam gefeiert und Niederlagen wie vierte Plätze ebenso gemeinsam bewältigt werden.

Abendblatt:

Was kann die Münchner Bewerbung für die Winterspiele 2018 von Vancouver lernen?

de Maizière:

Sehr wichtig scheinen mir die Entfernungen zwischen den Wettkampfstätten zu sein. In München haben wir für die Winterspiele und die anschließenden Paralympics ein Konzept, bei dem im Olympiapark alle Wege fußläufig sind. Das ist hier nicht der Fall. Die Konzentration auf ein Eis- und ein Skizentrum ist gut, das können wir von Vancouver lernen, aber auch in Whistler sind die Distanzen größer, als sie es in Garmisch-Partenkirchen wären. Das Grundkonzept ist vergleichbar, doch im Detail würden wir hoffentlich manches besser machen.

Abendblatt:

Was waren die an Sie am meisten gestellten Fragen zur Münchner Kandidatur?

de Maizière:

Wie ich die Chancen einschätze ...

Abendblatt:

Und? Wie schätzen Sie sie ein?

de Maizière:

Sehr gut. Pyeongchang ist ein starker Konkurrent, vielleicht weniger wegen des Konzeptes, vielmehr weil es ein Standort in Asien ist und es die Koreaner bereits zweimal vergeblich versucht haben. Ich habe in Vancouver mit vielen Mitgliedern des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gesprochen, angefangen mit Präsident Jacques Rogge, da schlägt Deutschland und München schon sehr viel Sympathie entgegen. Das ist noch nicht die halbe Miete, aber immerhin ein guter Start in die nächsten anderthalb Jahre.

Abendblatt:

Was kann und wird die Bundesregierung noch bis zur Entscheidung am 6. Juli 2011 tun?

de Maizière:

Wir haben die finanziellen Garantien abgeben, wir unterstützen München und Bayern bei Details der Bewerbung. Wir werben international für die Kandidatur, und wir können und dürfen zeigen, auch am Beispiel der Fußball-Weltmeisterschaft 2006, dass wir im Stande sind, Großereignisse nicht nur freundlich, sondern auch sicher durchzuführen.

Abendblatt:

Passen Winterspiele im Zeichen des Klimawandels überhaupt noch in die Zeit?

de Maizière:

In Deutschland haben wir im Moment ja reichlich Schnee...Vielleicht können wir in 20, 30 Jahren darüber noch einmal grundsätzlich reden, bis dahin, glaube ich, sind Winterspiele nötig und gut. Wir zeigen mit unserem Konzept auch, dass man nicht immer neue Anlagen in die Berge und in die Gegend bauen muss, sondern dass man vorhandene durch Umbau wie in München oder durch Aufrüstung wie in Garmisch nutzen kann. Das verstehen wir unter Nachhaltigkeit. Und deshalb sehe ich auch nichts an der Bewerbung, was kritikwürdig wäre.

Abendblatt:

Sollte sich Deutschland als eine der führenden Wirtschaftsnationen der Welt mittelfristig nicht eher um die Ausrichtung der Sommerspiele bemühen? Die haben doch eine ganz andere Dimension und Bedeutung.

de Maizière:

2012 finden die Sommerspiele in London statt, wir wissen um das starke Interesse von Paris. Europa ist also gut vertreten. Jetzt konzentrieren wir uns erst einmal auf die Winterspiele. Wenn man zu viel gleichzeitig will, dann erreicht man nichts.

Abendblatt:

Kommen wir zu den Sportlern. Wie können diese künftig noch besser vom Bund gefördert werden, wie steht es vor allem um die Vereinbarkeit des Leistungssports mit Ausbildung, Studium und Beruf, ein zentrales Problemfeld für viele Athleten?

de Maizière:

Vieles ist in der Tat nicht nur eine Frage des Geldes - die Bundesregierung stellt ja viel Geld für den Spitzensport zur Verfügung. Der Bund ist für Spitzensportler bei Bundeswehr und Bundespolizei ein guter Arbeitgeber, das wollen wir fortsetzen. Besonders für Sportler mit Behinderung ist die duale Karriere fast noch wichtiger als für Spitzensportler ohne körperliche Einschränkungen. Ich möchte darum mehr auf die Wirtschaft zugehen. Das habe ich auch mit Thomas Bach, dem Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes, und mit Theo Zwanziger, dem Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes, vereinbart, dass beide in ihren Gesprächen mit der Wirtschaft die Möglichkeiten für duale Karrieren ansprechen und ausloten.

Abendblatt:

Wo werden Sie weitere Schwerpunkte setzen?

de Maizière:

Wir müssen uns auf die Trainer konzentrieren, die oft ein bisschen im Schatten stehen, die angesichts ihres Engagements und ihrer Kompetenz oft unterbezahlt sind. Das scheint mir sehr wichtig zu sein. Und wir müssen uns in der Förderung stärker auf die aussichtsreichen Sportarten konzentrieren, so schwierig das auch sein mag. Wir können nicht mehr alle Sportarten im gleichen Ausmaß unterstützen. Dazu haben wir nicht die finanziellen Mittel.

Abendblatt:

Ist die Förderung des Spitzensports angesichts der angespannten Haushaltslage inzwischen nicht ein Luxus, den sich Deutschland eigentlich nicht mehr leisten kann? Braucht Deutschland den Spitzensport noch als imagebildenden Faktor?

de Maizière:

Absolut! Spitzensport ist zudem nicht nur ein imagebildender Faktor, Sie werden auch den Breitensport nicht aufrechterhalten können ohne den Spitzensport. Breite braucht Spitze, und Spitze braucht Breite. Das bedingt sich. Ein weiterer Punkt: Sport ist ein wichtiger Identifikationsfaktor für unsere Nation, wie zuletzt die Fußball-WM 2006 gezeigt hat. Diese Identifikation geht nur über den Spitzensport.