Obwohl der verkürzte Start eher ein Nachteil für Tatjana Hüfner war, holte sie ungefährdet Gold im Rodeln und machte es Felix Loch gleich.

Whistler. In einem Sport, in dem Tausendstelsekunden über Sieg und Niederlage entscheiden, ist Tatjana Hüfners Abstand bereits beträchtlich. Auf Felix Loch und David Möller beträgt er zwei Tage. „Ich habe mir den Wettkampf der Männer nicht angeschaut, weil ich mich auf mich konzentrieren wollte“, hatte Rodlerin Hüfner am Montag in Anspielung auf den Gold- und den Silbermedaillengewinner gesagt, aber „wenn ich morgen zwei gute Läufe schaffe und Gold holen sollte, mache ich vielleicht Party mit den Männern.“

Jetzt kann sie es. In der Einsitzerentscheidung behielt die 26-jährige Deutsche am Dienstag ihre Führung nach dem zweiten Lauf und die Nerven bis zum Schluss. Eine Genugtuung, aber natürlich keine Sensation, schließlich ist Hüfner diese Saison die konstanteste Rennrodlerin, sie hat schon den Gesamtweltcup gewonnen. Viel überraschender war, dass eine Österreicherin die avisierte komplett-schwarz-rot-goldene Party störte: Nina Reithmayer, Schnellste des ersten Laufs, gewann Silber vor der Bayerin Natalie Geisenberger (nach dem ersten und dritten Lauf Zweite), Anke Wischnewski wurde Fünfte.

„Ich bin überglücklich, dass es so funktioniert hat Ich habe jahrlang darauf hintrainiert. Es hat tatsächlich funktioniert! Ich konnte mich schön in den Wettkampf hineinsteigern, war nervös vor allen Läufen, aber konnte mich immer gut herunterfahren“, sagte Hüfner.

Auf der Tribüne riss die Olympiadritte von 2006 u.a. DOSB-Präsident Thomas Bach mit, der – ungewöhnlich für einen Sportpolitiker – nach eigenem Bekunden zunächst sprachlos war: „Da fehlen einem die Worte, da zittert man mit.“ Am Morgen hatte Deutschlands oberster Sportführer schon den Sieg von Biathletin Magdalena Neuner vor Ort verfolgt. „Das war ein guter Tag“, schwärmte Bach, zugleich Vizepräsident im IOC, „heute Abend mache ich bei beiden die Siegerehrung. Das gönne ich mir.“

Inwieweit allerdings die Konkurrentinnen den Deutschen deren Erfolge von Herzen gönnen, sei dahingestellt. Fakt ist, dass die deutschen Frauen seit 1997 insgesamt 98-mal in Folge kein einziges Weltcuprennen verloren haben. Bei zwölf Olympischen Spielen holten sie nur viermal nicht Gold. Selbst Dreifachsiege verblüffen da schon längst niemanden mehr – eher umgekehrt. Geht es bei den Männern meist noch eng zu, fahren ihre Kolleginnen mit der Konkurrenz, nun ja, für gewöhnlich Schlitten. Insofern dürfte Nina Reithmayers Silbermedaille auch ein Ansporn für andere Nationen sein.

Eines der Gesprächsthemen im Whistler Sliding Centre war am Wettkampftag erneut der Ärger über die Verlegung des Startbereichs infolge des tödlichen Unfalls von Nodar Kumaritaschwili vom Freitag gewesen. Im Gegensatz zum eigentlichen Frauenstart weist der Dienstag verwendete Juniorenstart keine lange, steile Gerade auf. Stattdessen mussten die Athletinnen nach zumeist zwei Paddelschlägen flink liegen, um nicht schon in der sofort folgenden scharfen Kurve gegen eine Wand zu rempeln und Zeit zu verplempern – gemeinhin ein Nachteil für die großen, athletischen Typen, zu denen Geisenberger (1,83 m/77 kg), Hüfner (1,78 m/77 kg) und Wischnewski (1,78 m/83 kg) zählen. Sie sind mit Abstand die Größten im Feld der Einzelstarterinnen.

„Ehrlich gesagt schicken wir 13-Jährige durch diesen Start“, maulte die noch nach dem Training sehr ambitionierte Kanadierin Alex Gough, die am Ende nur Platz 15 belegte. Und die Australierin Hannah Campbell-Pegg (23.) sagte: „Es geht darum, in der Lage zu sein, den Start zu meistern. Ich hab’s nicht geschafft.“ Natalie Geisenberger hingegen sah sich genötigt zu dementieren, sie habe je von einem „Kinderstart“ gesprochen. „Da bin ich etwas missverstanden worden. Natürlich war die Veränderung der Starthöhe für mich nicht optimal und für uns alle nicht.“ Alles andere als optimal war auch, dass just vor ihrem vierten Start ein Fotograf versehentlich einen Notausknopf berührt hatte, was Geisenberger kurzzeitig Nerven kostete.

Ein Kinderspiel waren die ersten beiden von sieben Wettbewerben in der Eisrinne von Whistler für die Deutschen dann auch nicht. „Wenn ich sie zusammen nehme, war es ein optimaler Start“, sagte Andreas Trautvetter, Präsident des Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland. Gleichwohl schwante ihm: „Für die Doppelsitzer wird es am Mittwoch noch schwieriger, vom Juniorenstart aus zu starten.“