Hauen und Stechen vor dem Großen Preis von Deutschland: Am neuen Nürburgring pflegen Teams und Regelhüter alte Zwistigkeiten. Der Streit überschattet auch den Sport.

Nürburg. Walter Kafitz ist eher ein Verkäufer denn ein Hüter teutonischer Motorsport-Träume. Als Geschäftsführer der Nürburgring GmbH bringt er lieber Erlebnisse unters Rennvolk. Der neue Rahmen für den Großen Preis von Deutschland und die über das Land Rheinland-Pfalz als Hauptgesellschafter subventionierte Rennstrecke kostete 258 Millionen Euro. "Man spricht wieder über die Formel 1", frohlockte Kafitz vor ein paar Tagen.

Das ist auch jetzt, am Grand-Prix-Wochenende, so. Allerdings sind die neuen Themen die gleichen hausgemachten Streitigkeiten, die den Grand-Prix-Sport vor Wochen an den Abgrund brachten. Dass sich der Automobilweltverband Fia dem Druck der Formel-1-Teams, der im Herbst zur Demission von Präsident Max Mosley führen soll, wehrlos ergibt, war ein Trugschluss. Weder der Abgang des mächtigen Briten noch die Neuordnung unter vernünftigen Reglements ist sicher. Bei einem Treffen am Nürburgring hatte der Fia-Delegierte Charlie Whiting erklärt, dass die Teams nicht offiziell für die Weltmeisterschaft 2010 eingeschrieben wären und daher kein Stimmrecht hätten. Daraufhin verließen die acht Mitglieder der Rennstallgemeinschaft Fota geschlossen den Saal - die Regeln für die nächste Saison aber wurden dennoch beschlossen. Dabei habe die Fia laut BMW-Motorsportchef Mario Theissen zugesichert, "dass die aktuellen Regeln auch nächstes Jahr gelten". Juristische Spitzfindigkeiten oder der Anfang eines neuerlichen Machtkampfes?

Die Formel 1 lebt wie keine andere Sportart vom Image, man nehme nur die Boxenluder, die es in der so gern dargestellten Form gar nicht gibt. Ausgerechnet zu Zeiten der größten Finanzkrise ruinieren die Beteiligten ihr wichtigstes Gut systematisch. Bernie Ecclestone hat mit seinen ebenso sympathisierenden wie skandalösen Äußerungen über Adolf Hitler in einem Interview dem vorerst letzten gesicherten Grand Prix auf deutschem Boden auch nicht gerade einen Gefallen getan. Auch wenn der 78-Jährige Promoter aufgrund der öffentlichen Empörung, dem politischen Druck und der Schädigung des eigenen Geschäfts die Äußerungen inzwischen bedauert.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger hat das für Sonntag geplante Treffen zur Rettung des deutschen Grand Prix 2010 dennoch abgesagt. Der Hockenheimring kann sich Verluste von rund sechs Millionen Euro nicht mehr leisten, Ecclestone bleibt bisher aber bei seinen Startgeldforderungen. Da der Nürburgring nicht einspringen kann oder will, wäre einer der wichtigsten Formel-1-Märkte im kommenden Jahr ohne Rennen. Auch für Ecclestone, seine Investoren und den Ruf der Königsklasse undenkbar. Aber der Brite pokert. Es geht um die Höhe des Kompromisses. Aushandeln soll das nun der ehemalige Mercedes-Lenker Jürgen Hubbert. Populistischer Schmusekurs von Mister E.: Am liebsten hätte er sogar zwei Rennen in deutschen Landen. Wer es bezahlen soll und kann, muss ihn nicht kümmern.

Von Eintrittsgeldern allein kann kein Veranstalter mehr leben, deshalb ist Kafitz' Vergnügungspark mit der schnellsten Achterbahn des Kontinents, einem Eifel-Dorf namens "Grüne Hölle" und der Ring-Arena ein respektabler unternehmerischer Versuch. Nur: Ob sich der Aufwand im Niemandsland Eifel lohnt? Der wichtigste Punkt des Vorhabens ging schon mal schief: die private Finanzierung. Der rheinland-pfälzische Finanzminister Ingolf Deubel musste angesichts der Ungereimtheiten über einen Investor aus Liechtenstein seinen Hut nehmen, am Ende könnte der Steuerzahler die ganz große Zeche zahlen müssen - 258 Millionen Euro.

Ja, man spricht wieder mehr über die Formel 1. Aber nach wie vor weniger über den Sport.