Wenn die großen Dinge nicht funktionieren, dann muss man sich über die kleinen freuen. Als der japanische Profiboxer Koji Sato nach seinem...

Krefeld. Wenn die großen Dinge nicht funktionieren, dann muss man sich über die kleinen freuen. Als der japanische Profiboxer Koji Sato nach seinem schmerzhaften Aufeinandertreffen mit Felix Sturm auf die Sonnenbrille angesprochen wurde, die er anstelle des Atemschutzes trug, den er am Freitag beim offiziellen Wiegen umgeschnallt hatte, sagte er: "Immerhin habe ich mir keine Erkältung eingefangen!" Weil der Kampf gegen Viren der einzige war, den der 28 Jahre alte Mittelgewichtler in Krefeld erfolgreich bestritten hatte, musste man sich als Beobachter der Mittelgewichts-WM die Frage stellen, warum ein Mann wie Sato als Herausforderer ausgewählt werden konnte.

Sechs Runden lang hatte Sturm, der 30 Jahre alte WBA-Weltmeister aus dem Hamburger Universum-Stall, seinen hoffnungslos unterlegenen Kontrahenten vorgeführt. Das Geschehen im Ring ähnelte vom ersten Gong an dem gnadenlosen Spiel der Katze, die die gefangene Maus nicht totbeißt, um sie totzuhetzen. Schon nach einer halben Minute konnten sich Sturms Fans und sein Umfeld entspannt zurücklehnen, denn schon da war absehbar, dass der Japaner seine eigene Einschätzung, er werde gegen Sturm wohl keine Chance haben, nicht würde konterkarieren können. Zwar schlug Sato immer wieder harte Haken in Richtung Sturms Kopf, doch weil der Champion jeden Schlag kommen sah und ihn mit seiner Doppeldeckung abfing, konnte sich die im Vorfeld stets gerühmte Schlaghärte des Asiaten nie entfalten.

Dass Sato das hohe Tempo des perfekt austrainierten Weltmeisters nicht würde mitgehen können, war vorher klar. Dass er jedoch einen WM-Kampf völlig ohne Deckung bestreiten würde, damit hatte niemand gerechnet. Sato nahm jeden Jab, sein Kopf wurde immer wieder nach hinten geschleudert, und als Sturm in Runde sieben begann, endlich auch vermehrt die Rechte hinterherzuziehen, hatte Ringrichter Luis Pabon aus Puerto Rico Erbarmen mit dem durchgeschüttelten Japaner. Mit seinem Abbruch kam Pabon sowohl Satos Ecke, die das Handtuch zum Zeichen der Aufgabe werfen wollte, als auch Ringarzt Christoph Goetz (Hamburg) zuvor, der wegen der unzähligen harten Kopftreffer ein baldiges Ende anmahnen wollte. Goetz diagnostizierte später neben diversen Schwellungen auch eine Gehirnerschütterung bei Sato, der in seiner Kabine hemmungslos weinte.

Auf der Pressekonferenz, auf der er mit seiner Sonnenbrille und der unbewegten Mimik einer stark ramponierten Version des "Terminator" glich, hatte sich der Herausforderer aus Tokio wieder gefangen. Sturm sei ein großartiger Champion, gegen den er keine Chance gehabt habe. Dennoch sei der Kampf nicht zu früh gekommen. "In meiner Gewichtsklasse bekommt man nicht so häufig die Chance auf eine WM, deshalb bin ich sehr dankbar für diesen Abend", sagte er. Sturm und Universum-Chef Klaus-Peter Kohl versuchten zwar auch nach der Lehrstunde noch, den Gegner stark zu reden (Sturm: "Er war immer gefährlich und hat mich ein paar Mal hart getroffen"), die Frage nach dem Sinn der Gegnerauswahl blieb trotzdem.

Beantwortet werden kann sie nur mit einem Blick auf kommende Aufgaben. Schon am 11. Juli soll Sturm wieder in den Ring steigen. Am Vorabend des Formel-1-Rennens auf dem Nürburgring veranstaltet Universum dort eine Boxgala, und nachdem die Hamburger die Schwergewichts-WM zwischen Ruslan Chagaev und Nikolay Valuev, die am 30. Mai in Helsinki stattfindet, nicht für dieses Datum ersteigern konnten, soll nun das zweite Zugpferd für Glamour und Quote sorgen. Für die Fans, 9000 im ausverkauften KönigPalast und 4,68 Millionen beim ZDF, dürfte die Show gegen Sato so unterhaltsam gewesen sein, dass sie auch beim nächsten Auftritt Sturms dabei sein wollen. Für den Athleten selbst, der in seinen vier vorherigen Kämpfen dreimal den Pflichtherausforderer geboxt hatte, war eine Titelverteidigung im Schongang so angemessen wie willkommen, auch wenn ihn Sato nicht fordern und im Kampf um weltweite Aufmerksamkeit nicht nach vorn bringen konnte.

Bis Ende dieser Woche will die WBA entscheiden, ob Sturm am 11. Juli zur Pflichtverteidigung gegen den Australier Anthony Mundine antreten muss. "Das wäre interessant, aber es gibt auch andere interessante Gegner. Ich boxe jeden, den mein Management mir vorsetzt", sagte Sturm, der weiß: Wenn man große Aufgaben will, muss man die kleinen souverän erledigen.