Wer Felix Sturm in diesen Tagen auf die Nerven gehen möchte, muss ihm Fragen stellen zur Lage seiner Gewichtsklasse in Deutschland und seinen damit zusammenhängenden Plänen, in den USA zu boxen. Sein Aufbrausen zeugt vom sensibeln Thema. Bilder der Karriere von Felix Sturm

Krefeld/Hamburg. Wer Felix Sturm in diesen Tagen auf die Nerven gehen möchte, der muss ihm Fragen stellen zur Lage seiner Gewichtsklasse in Deutschland und seinen damit zusammenhängenden Plänen, in den USA zu boxen. Dann kann der sonst immer so bedächtig und cool wirkende Mittelgewichtsprofi aus dem Hamburger Universum-Stall richtig aufbrausen. Seine Gesichtszüge werden hart, seine Augen blitzen angriffslustig, und er begräbt sein Gegenüber unter einem Schwall von Worten, von denen einige besser nicht in einer Zeitung wie dieser wiedergegeben werden sollten. Wer dem 30 Jahre alten Leverkusener zuhört in diesen Momenten, der spürt, dass dies ein sensibles Thema ist, und gerade weil er vorgibt, darüber nicht diskutieren zu müssen, so lohnt sich ein zweiter Blick umso mehr.

Sturm verteidigt an diesem Sonnabend (22 Uhr, ZDF live) in Krefeld seinen WBA-Titel gegen den Japaner Koji Sato. Der 28-Jährige, der in 14 Kämpfen unbesiegt ist und 13-mal vorzeitig gewann, ist in Europa selbst einigen Insidern kein Begriff. Nach mehreren Kämpfen gegen Exweltmeister oder Pflichtherausforderer hat sich Sturm einen Gegner wie Sato, der gegen die Erfahrung, Schnelligkeit und Technik des Champions machtlos sein dürfte, zwar verdient, zumal er schon am 11..Juli auf dem Nürburgring erneut in den Ring steigen soll. Allerdings wird in Fankreisen weiterhin über das Nicht-Zustandekommen des deutsch-deutschen Duells mit IBF-Titelträger Arthur Abraham aus dem Berliner Sauerland-Team gemurrt. Und während Abrahams Management zuletzt bekanntgab, im November ein Duell mit WBO/WBC-Doppelweltmeister Kelly Pavlik auf die Beine stellen zu können, muss sich Sturm im wenig glamourösen Niederrheinischen mit unbekannten Asiaten herumschlagen.

Dass den Modellathleten eine derartige Sicht der Dinge zu einem Wutausbruch reizt, ist indes mehr als verständlich, schließlich ist sein Blick auf die Thematik ein ganz anderer. "Es gibt im Mittelgewicht nicht mehr die großen Superstars. Die Angebote, die mein Management zuletzt aus den USA von Pavlik oder anderen erhalten hat, waren eine Frechheit. Ich habe es nicht nötig, für Kleingeld dorthin zu reisen und mich dann wieder um meinen Titel betrügen zu lassen", sagt er in Anspielung auf seinen bislang einzigen Auftritt in Übersee, als er im Juni 2004 gegen US-Superstar Oscar de la Hoya seinen WBO-WM-Titel skandalös nach Punkten verlor.

Sturm weiß, dass in den Vereinigten Staaten aufgrund des potenten Pay-TV-Marktes noch immer das meiste Geld verdient werden kann. Doch er weiß auch, dass er in Deutschland seine Heimat und seine Fanbasis hat, und da er als einer der größten Quotenbringer im Universum-Stall auch hier mittlerweile siebenstellige Gagen einstreichen kann, sieht er keine Veranlassung, auf Krampf namhafte Gegner zu fordern. "Ich habe zuletzt hochklassige Kämpfe bestritten und fülle in Deutschland mittlerweile alle Hallen, in denen ich boxe", sagt er mit Blick auf die 9000 in Krefeld erwarteten Zuschauer, "es wäre deshalb Betrug am Fan, hier nur noch einmal im Jahr zu boxen. Wir liefern in Deutschland auch Weltklassesport und müssen uns hinter den USA nicht verstecken. Außerdem habe ich es nicht nötig, mich über andere bekannt zu machen."

Tatsächlich ist der Sohn bosnischer Einwanderer mittlerweile in Deutschland angekommen. Zwar sind es am Ring oftmals Menschen aus der Heimat seiner Eltern, die ihren Volkshelden feiern und für Stimmung sorgen, dennoch hat Sturm auch bei deutschen Fans Schlag. Für noch mehr bundes- und gar weltweite Bekanntheit soll die neue Werbekampagne des Mode- und Lifestyle-Unternehmens Calvin Klein sorgen, mit dem Sturm einen mehrjährigen Vertrag geschlossen hat. Als Model steht er nun in einer Reihe mit Kate Moss oder Fredrik Ljungberg, als Sexsymbol sieht sich der verheiratete Faustkämpfer deshalb aber nicht. "Ich habe das Gesicht eines Boxers, da ist nichts zu machen. Mir war wichtig, dass das Unternehmen zu mir passt", sagt er. Seine Vorliebe für Mode sei sicherlich hilfreich gewesen, aber nicht der entscheidende Punkt. "Ich verkörpere als weltoffener Sportler die Philosophie der Firma, die Neues wagen möchte."

Neues wagen, trotzdem auf Altbewährtes setzen und, vor allem, sich nicht verbiegen zu lassen das ist die Mischung, mit der Felix Sturm seinen Erfolgsweg fortsetzen möchte, wo auch immer dieser ihn hinführt. Dass viele seine Unlust, in der Öffentlichkeit zu stehen und sein Gesicht in jede TV-Kamera zu halten, als Arroganz abtun, hat er mittlerweile akzeptiert. "Entweder man mag mich, oder man mag mich nicht. Ich kann es nicht allen recht machen", sagt er.

Seinem Umfeld schon: Er hat akribisch wie immer in Zusammenarbeit mit dem Kölner Institut "Plus One" seine körperliche Fitness optimiert, das Kampfgewicht von 72,5 kg schon am Anfang dieser Woche gebracht. Er hat mit Trainer Michael Timm die boxerischen Feinheiten herausgearbeitet. Er hat sogar die Zeit gefunden, in Kooperation mit dem Journalisten Stefan Becker im Verlag Südwest sein erstes Buch, "Fitness-Boxen mit Felix Sturm", zu publizieren. Er ist jemand in Deutschland, auch wenn ihm das "überhaupt nicht wichtig" ist. Eins ist klar: Felix Sturm braucht die USA nicht. Aber das deutsche Boxen braucht ihn. oxen braucht ihn.