Der Vorstandschef betrachtet seine Rolle, spricht von Titeln und erklärt sein Verhältnis zu den Supporters. 1812/i“>Bilder von Ivica Olic

Abendblatt:

Herr Hoffmann, einmal mehr war Ivica Olic gegen Aston Villa der Garant des Sieges. Warum tun Sie nicht alles, damit er beim HSV bleibt?

Bernd Hoffmann:

Wie kommen Sie darauf, dass wir nicht alles tun? Keiner freut sich mehr über Ivicas Entwicklung als wir, und wir würden ihn gerne bei uns behalten. Aber auch wir können das Geld eben nicht selbst drucken. Ivica hat ein erstklassiges Angebot für eine Vertragsverlängerung. Mehr ist nicht machbar.



Abendblatt:

Wieso?

Hoffmann:

Wir werden wegen eines Spielers unser Gehaltsgefüge nicht komplett zerstören. Damit wecken wir Begehrlichkeiten anderer Spieler und deren Berater. Und das ist gefährlich. Denn niemand kann prognostizieren, wie sich die Finanzkrise auf die Bundesliga auswirken wird.



Abendblatt:

Welche Auswirkungen spüren Sie jetzt schon?

Hoffmann:

Für die aktuelle Saison bisher noch keine. Im Hinblick auf die kommende Spielzeit wissen wir bereits, dass die TV-Einnahmen durch den neuen TV-Vertrag in etwa gleich bleiben werden. Bei den Sponsoring-Einnahmen wird sich auch nicht viel ändern, da die wichtigsten Verträge langfristig laufen. Was die Zuschauerzahlen betrifft, bin ich zuversichtlich, dass sie stabil bleiben. Wobei wir die Preise für die kommende Saison definitiv nicht anfassen werden.



Beiersdorfer zieht Bilanz


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Abendblatt:

Was wird aus den Business Seats und Logen?

Hoffmann:

Bislang hatten wir das 'Problem', die Nachfrage nicht komplett erfüllen zu können. Ob das so bleibt ist in der Tat die große Frage. Wir müssen die Verlängerungsphase im März abwarten. Aber Sie müssen auch bedenken, dass wir im Gegensatz zur vergangenen Saison mit den Verkäufen von van der Vaart und Kompany (zusammen 26 Millionen Euro, die Red. ) diesmal keine großen Transfereinnahmen erwarten dürfen. Daher rechne ich mit einer ruhigen Transferperiode und stagnierenden Spieler-Gehältern. Wir müssen unser Geld zusammenhalten und den HSV auch für widrige Gewässer rüsten.



Abendblatt:

Lukas Podolski hat sein grundsätzliches Interesse für einen Wechsel zum HSV signalisiert, wenn der Transfer nach Köln scheitern sollte. Diese Chance müssen Sie doch nutzen.

Hoffmann:

Wenn Olic uns im Sommer verlassen sollte, ist doch klar, dass wir uns auch mit dem Namen Podolski beschäftigen werden. Und wenn eine sportliche Entscheidung positiv ausfallen würde, müsste natürlich auch die Finanzierung noch machbar sein.



Abendblatt:

Wäre das keine Aufgabe für Ihr Projekt "Anstoß", bei dem Privatleute in Neuzugänge investieren sollen?

Hoffmann:

Wir hatten im Sommer sehr gute Gespräche mit Interessenten. Aber durch die Finanzkrise ist dieses Projekt viel schwieriger geworden. Ein wichtiger Aspekt im Hinblick auf unsere gesamtwirtschaftliche Lage ist, dass wir uns den Luxus leisten, unser Stadion bis 2017 abzahlen zu wollen, was uns jedes Jahr mit 25 Millionen Euro belastet. Das ist zwar sehr hanseatisch gedacht, aber unsere Mit-Bewerber Schalke und Dortmund lassen sich bis 2026 Zeit, Bayern bis 2031.



Abendblatt:

Dennoch trennen den HSV nur zwei Punkte von der Tabellenspitze?

Hoffmann:

Wir sind in allen drei Wettbewerben vertreten und haben zum Auftakt der Rückrunde ein absolutes Spitzenspiel gegen die Bayern vor uns, auf das wir alle schon jetzt hinfiebern. Wenn man bedenkt, dass wir Rafael van der Vaart zu ersetzen und sechs neue Spieler zu integrieren hatten, ist die sportliche Bilanz der Vorrunde optimal. Eine solche Ausgangssituation hatten wir zuletzt 1986/87, also vor 22 Jahren. Und da wurden wir am Ende Vizemeister und DFB-Pokalsieger.



Abendblatt:

Ausgezahlt hat sich bereits jetzt die Verpflichtung des neuen Trainers Martin Jol. Was unterscheidet ihn von einem Huub Stevens?

Hoffmann:

Beide haben klare Vorstellungen von der Art, wie sie eine Mannschaft führen. Beide sind total erfolgsorientiert. Aber Huub hat an jedem Rädchen am liebsten selbst gedreht. Martin kommuniziert und setzt auch sehr stark auf die Kompetenzen seines Teams und seiner Spezialisten, gibt aber gleichfalls die Richtung vor.



Abendblatt:

Was meinen Sie konkret?

Hoffmann:

Huub hat hier sofort die Tür zum Trainingszentrum umbauen lassen, um selbst sehen zu können, ob die Spieler pünktlich zum Training kommen. Martin hätte das nicht verlangt, er vertraut den Spielern mehr. Huub hat auch selbst entschieden, ob ein Spieler fit genug ist, um zu trainieren. Martin entscheidet nach Rücksprache mit der medizinischen Abteilung.



Abendblatt:

Herr Hoffmann, sprechen wir über Ihre Zukunft beim HSV. Warum sind Sie nicht wirklich beliebt?

Hoffmann:

Wie meinen Sie das?



Abendblatt:

Intern wird Ihnen ein autoritärer Führungsstil vorgeworfen.

Hoffmann:

Ich führe hier ein mittelständisches Unternehmen mit der öffentlichen Wahrnehmung eines Dax-Konzerns. Dabei muss ich unbequeme Entscheidungen treffen und kann nicht die Beliebtheit eines Günter Jauch anstreben. Aber wichtig ist mir, wie ich von meinem unmittelbaren Umfeld im Verein wahrgenommen werde. Und dort ist die Resonanz positiv. Ich behaupte, dass es keinen anderen Vorstandsvorsitzenden in der Liga gibt, der so ein offenes Ohr für seine Mitarbeiter hat. Vielleicht führt mein Hang zu einer gewissen Ironie hin und wieder zu Missverständnissen.



Abendblatt:

Wäre es leichter, wenn Sie eine Vergangenheit als Fußballprofi hätten?

Hoffmann:

300 Bundesliga Spiele in meiner Biographie würden sicher einen Puffer bilden. Auf der anderen Seite biete ich Kompetenzen, die man als Bundesliga-Spieler nicht automatisch erwirbt. Außerdem werden 15 der 16 Champions-League-Achtelfinalklubs von Nicht-Fußballern geführt.



Abendblatt:

Dennoch haben sich Gruppen der Supporters gegen Sie positioniert. Was haben Sie gegen die Supporters?

Hoffmann:

Überhaupt nichts. Meine vier Kinder sind allesamt Supporters, mein Schwiegervater auch. Und meine Supporters-Mitgliedschaft ruht nur durch mein Amt. Die Supporters leisten großartige Fan-Arbeit. Problematisch ist, wenn ein kleiner Kreis von HSV-Mitgliedern unter dem Deckmantel der Supporters versucht Einzelinteressen durchzusetzen.



Abendblatt:

Kann es nach der Aufsichtsratswahl am 25. Januar eine Konstellation geben, bei der Sie sagen, das tue ich mir nicht mehr an?

Hoffmann:

Ich rechne fest damit, dass die Mitglieder zahlreich erscheinen und wir auf dieser Basis einen hochkarätig besetzten Aufsichtsrat haben werden. Zumal der HSV sportlich und wirtschaftlich hervorragend aufgestellt ist. Außerdem haben wir große Ziele.



Abendblatt:

Welche?

Hoffmann:

Wir wollen aus unserem schönen Wohnzimmer Nordbank-Arena ein echtes Zuhause machen. Zum Beispiel mit einem Amateurstadion, in dem die zweite Mannschaft, der Nachwuchs und die Frauen spielen. Es ist wichtig, dass wir die 17- bis 19-Jährigen ganz nah an die Profis heranführen. Denn wir müssen damit rechnen, dass wir uns in den nächsten fünf Jahren keine ganz großen Transfers mehr leisten können.



Abendblatt:

Ein Titel wäre aber auch nicht schlecht, oder?

Hoffmann:

Keine Frage, etwas Goldenes oder Silbernes muss in die Vitrine. Wir müssen diesem Verein das absolute Siegergen einimpfen. Ich hoffe, dass die aktuelle Achse mit Spielern, die schon Titel geholt haben, wie Rost, Silva, de Jong oder Olic, dies ändert. Eines ist klar: Ohne einen Titelgewinn wäre mein Wirken beim HSV unvollendet.