Was passiert rund um ein Heimspiel in der Color-Line-Arena? Das Abendblatt durfte in die Kabine schauen.

Hamburg. Manchmal müssen Sie als Leser froh sein, dass die Zeitung noch keine Gerüche übermitteln kann. Könnte sie dies, dann würden Sie vermutlich diese Seite sofort umblättern. Wer einmal erlebt hat, wie sich die Ausdünstungen aus 22 nass geschwitzten Eishockey-Ausrüstungen mit dem aparten Duft von hundertfach getragenen Schlittschuhen mischen, dem fällt es schwer zu verstehen, dass es Kabinen wie die in der Color-Line-Arena sind, die zur "Schaltzentrale" werden. Zu einem Raum, der gemeinhin als Heiligtum gilt, auch wenn er mittlerweile von Medienvertretern betreten werden darf - allerdings nur nach den Spielen. Was vor einer Partie passiert, durfte sich das Abendblatt nur ausnahmsweise anschauen.

Wenn heute um 16.30 Uhr - wie üblich drei Stunden vor Spielbeginn - die ersten Profis eintreffen, hat Sven Gibb (40) schon viele Stunden Arbeit hinter sich. Gemeinsam mit seinem Kollegen Jiri Uvira (39) sorgt der Betreuer für Ordnung in der Umkleide. Vier Maschinen Wäsche fallen pro Trainings- oder Spieltag an, dazu ist das Duo dafür zuständig, dass die Ausrüstung aller Spieler komplett ist. Die Schläger, bis zu zehn pro Akteur, stehen im Vorraum der Kabine, der Rest der Ausrüstung liegt auf den von Trainer Bill Stewart zugeteilten Plätzen bereit (siehe Text unten). Jeden Platz ziert ein großes Porträtfoto des jeweiligen Spielers (vom Trikot verdeckt). Auffällig sind die Sinnsprüche, die in der Vereinsfarbe Eisblau die Türen zieren. "Träume nicht vom Erfolg, sondern arbeite hart daran, ihn zu erreichen" steht dort, gleich darunter die englische Übersetzung. Und, in großen Lettern, die Worte "Verantwortung" und "Respekt". Gesprochen wird in der Kabine englisch, untereinander sprechen die deutschen Akteure natürlich deutsch.

Bis zum Eintreffen des Trainerteams zwei Stunden vor dem Spiel nutzen die Spieler die Zeit, um sich umzuziehen und ihr persönliches Aufwärmprogramm zu absolvieren. Wenn die Coaches zur Besprechung bitten, müssen alle anwesend sein. Zwischen fünf und 30 Minuten dauert die Ansprache, in der auch Videomaterial über den Gegner gezeigt wird. Stewart, so heißt es, ist ein akribischer Statistik-Freak, der über den Gegner jeden Fakt weiß. Die komplizierten Skizzen, mit denen der Coach, der heute sein zweites Dienstjubiläum feiert, die Taktik des Kontrahenten erklärt, sprechen für diese These. Ein Wust von Zahlen und Daten umgibt dort jeden Spielernamen, sodass Stewarts Mannen umfassend vorbereitet aufs Eis gehen können.

Bevor sie dies tun, geht es jedoch zum intensiven Stretching auf den Flur vor der Kabine. Manche Spieler nutzen auch die Fahrrad-Ergometer oder spielen Fußball. Ein Großteil sucht noch einmal den Massageraum im hinteren Teil des Umkleidetrakts auf, um sich von Physiotherapeut Stefan Reuter (40) massieren, tapen oder anderweitig behandeln zu lassen. Weil zum "Rundum-sorglos-Paket" auch intensive Gespräche gehören, wird Reuters Raum auch "Seelsorgenamt" genannt. Reuter, Uvira und Gibb gelten unter den Spielern als "die drei Amigos".

40 Minuten vorm ersten Bully darf das Team zum "Anschwitzen" aufs Eis, 25 Minuten später geht es für eine kurze Besprechung und letzte "Besorgungen" wie Toilettengang oder schnellen Tapeverband zurück in die Kabine - bis der Schiedsrichter pfeift und zum Auflaufen bittet. Dann zählen keine Gerüche mehr - sondern nur noch Emotionen.