Der Kroate sorgte mit einem Kunstschuss für den ersten Heimsieg gegen Bremen seit 2003. Aber: Das Bundesligaspiel stand nach einem Wurf aus der HSV-Fankurve vor dem Abbruch.

Hamburg. Wer Eintritt fürs Theater zahlt, weiß vorher ziemlich genau, welche Leistung er für sein Geld erhält: Die Handlung, die Guten und die Bösen stehen fest, einzig die Tagesform der Schauspieler schwankt. Im Fußball, wo die Spanne von Grotten- bis zum magischen Kick reicht, ist dies bekanntlich anders. Auch die 56 121 Zuschauer, die bis zu 97 Euro gezahlt hatten, um das 89. Bundesliga-Nordderby zwischen dem HSV und Bremen live zu erleben, wussten im fast ausverkauften Stadion nicht, was sie erwartete. Aber sie mussten ihr Kommen nicht bereuen.

Das Duell war zwar nicht hochklassig, aber giftig, in jeder Minute spannend - und hatte für die Hamburger ein glückliches Ende parat. "Werder war überlegen", räumte HSV-Trainer Martin Jol ein, "aber wenn man solch ein Tor wie das von Olic erzielt, darf man vielleicht flüstern, dass unser Sieg verdient war." Und sooo wichtig. Mit dem Erfolg schickte Jols Team die Bremer ins Niemandsland der Tabelle - und hielt selbst den Anschluss an die Spitze.

Ivica Olics (Sonntags-)Schuss, der für kollektiven Jubel sorgte und schon allein das hohe Eintrittsgeld wert war, kam allerdings wie aus dem Nichts. Beide Mannschaften hatten sich zu diesem Zeitpunkt neutralisiert, die bessere Elf stellte Werder (58 Prozent Ballbesitz). "Wir hatten vor allem in der ersten Hälfte Probleme mit den Positionswechseln der Bremer im Mittelfeld", analysierte Jol.

Weil Kapitän David Jarolim wegen seiner Gelbsperre fehlte , hatte der HSV-Trainer sein Ensemble zwangsläufig umbauen müssen. Dass Paolo Guerrero in die Startformation rücken würde, war erwartet worden, doch der Niederländer reagierte auf das zuletzt unharmonisch wirkende Offensivspiel, indem er im Mittelfeld mit einer Raute agieren ließ - wie Werder.

Guerrero sollte die zu große, häufig aufgetretene Lücke in der Zentrale schließen, Guy Demel spielte auf Halbrechts, Alex Silva betätigte sich als Wachhund Diegos. Doch wirklich ausbalanciert wirkte die HSV-Elf nicht. Organisation, Raumaufteilung ließen zu wünschen übrig, das Umschalten funktionierte viel zu selten, häufige Ballverluste waren die Folge. Auch die frühe Führung durch Guerrero nach einem Mladen-Petric-Freistoß brachte nicht die nötige Sicherheit. So führten die Hamburger die zunehmend selbstbewussten Bremer zurück ins Spiel, die in dieser Saison nicht eine Begegnung nach einem Rückstand gewinnen konnten. Besonders über die Außen konnte Werder immer wieder nach vorn stoßen. Die HSV-Profis rannten häufig nur hinterher, waren nicht eng genug an ihren Gegenspielern. Umgekehrt versäumten es der defensiv starke Jerome Boateng und Marcell Jansen (schludriger Abspielfehler vor dem 1:1), Produktives für den Aufbau beizusteuern.

Da mit Silva nur ein defensiver Mittelfeldspieler in der Zentrale die Innenverteidiger absicherte, kamen diese häufiger in Bedrängnis. Das Freistoßtor Diegos nach 24 Minuten kühlte die euphorischen Hoffnungen auf den Rängen, dass es erstmals nach 2003 wieder ein Heimsieg gegen Werder gelingen könnte, deutlich ab. Aber: Weil ein HSV-Fan bei Diegos Torjubel durchdrehte, wäre das Spiel beinahe abgebrochen worden (siehe Text unten).

Wenn auch der spielerische Glanz fehlte, so kämpfte der HSV wacker, ließ wenige Chancen zu. "Wir waren in den letzten Pässen nicht konsequent genug", monierte Bremens Manager Klaus Allofs.

Und so durfte Olic (Kontrakt bis Juni 2009) für weitere Argumente in seinem Vertragspoker sorgen - und für die Pointe des Nordderbys. Schließlich war es der Kung-Fu-Tritt Wieses gegen den Kroaten, der beim letzten Duell im Mai für Aufregung gesorgt hatte. In der vergangenen Woche versöhnte sich Olic mit Wiese - und revanchierte sich auf seine ganz spezielle Art.