Noch lockt der “Event-Charakter“ genügend Zuschauer in die Arenen. Doch im Zeichen der Wirtschaftskrise wenden sich die ersten Fans bereits ab.

Hamburg. 97 Euro für ein Fußballspiel? Das findet "Franz" einfach "idiotisch". "Wer das ausgibt, ist seinem Geld böse", schreibt der Abendblatt.de-Nutzer in seinem Kommentar: "Für einen derartigen Betrag kann man einen herrlichen Abend verleben, anstatt im Stadion zu hocken." So wie "Franz" sehen es offenbar auch viele HSV-Fans: Zwei Tage vor dem Anpfiff ist das Nordderby gegen Werder Bremen noch immer nicht ausverkauft.

Mit seinen rekordverdächtigen Eintrittspreisen hat der Klub seine Anhängerschaft in Gewissensnöte gestürzt. Machten die Fans bisher jede Teuerung zähneknirschend mit, könnte der HSV nun die Kostenschraube überdreht haben. So muss eine Durchschnittsfamilie - zwei Erwachsene, zwei Kinder - allein für Eintrittskarten der mittleren Kategorie 3 insgesamt 208 Euro berappen. Zuzüglich Parkplatz, Verpflegung und Stadionheft kommen 226 Euro zusammen.

"Wer kann sich das denn schon alle zwei Wochen leisten?", fragt "Jan.Voß" und kommt zu dem Schluss: "Der kleine Fan jedenfalls nicht." Doch weil sich echte Vereinstreue mit keinem Geld der Welt aufwiegen lässt, wird er mit seiner vierköpfigen Familie am Sonntag in der HSH-Nordbank-Arena sitzen.

Gerade Familien haben bei der jüngsten Preisrunde zu schlucken. Beim HSV verweist man auf den Langnese-Familienblock: Pro Erwachsenem werden hier bis zu zwei ermäßigte Kinderkarten angeboten. Doch wer einen der 3000 verfügbaren Plätze ergattern will, muss schnell sein. "Die Tickets sind meist kurz nach Verkaufsstart vergriffen", heißt es auf Nachfrage bei der Telefon-Hotline.

Auch bei Hamburgs übrigen Profiklubs müssen Familien für einen Besuch in der Regel mitunter einen dreistelligen Betrag einkalkulieren - zumal wenn es am Ende noch ein Fantrikot für den Nachwuchs sein soll (s. Tabelle). Und vor der heraufziehenden Rezession sitzt bei manchem Sportfreund das Geld nicht mehr so locker, macht nicht jeden die Vereinsliebe blind für die eigenen Sorgen und Nöte. "Viele dosieren die Ausgaben und nehmen nicht mehr jedes Spiel mit", weiß Torsten Lucht, Fanbeauftragter der HSV-Handballer.

In den USA wird die Spirale bereits zurückgedreht. Angesichts der Wirtschaftskrise will die National Football League ihre Eintrittspreise von durchschnittlich 96 Euro im neuen Jahr senken. Eine Rückkehr in alte Zeiten, da ein Ticket kaum mehr kostete als ein Kinobesuch, wird es allerdings auch hier kaum geben. Spitzensport wird nicht mehr in zugigen Stadien und muffigen Turnhallen, sondern in glitzernden Arenen präsentiert, und das hat seinen Preis. Der gern angeführte "Event-Charakter" und attraktivere Stadien sind für Hartmut Zastrow vom Institut Sport+Markt "der Grund für höhere Preise, aber auch für die gestiegene Nachfrage und die Preisakzeptanz beim Zuschauer".

Allerdings sieht der Sportmarketing-Experte die Gefahr, dass die treuen Fans vergrault werden: "Schließlich tragen sie maßgeblich zur Stimmung bei." Nicht nur die Hamburger Profivereine bieten ihren Stammkunden deshalb besonders preiswerte Konditionen an. So kostet einen Dauerkartenbesitzer des FC St. Pauli ein Spiel in der mittleren Preiskategorie durchschnittlich 17,65 statt der regulären 27 Euro.

Überhaupt ist ein Besuch am Millerntor auch für Kleinfamilien noch vergleichsweise erschwinglich. Im neuen Familienblock N1 nehmen Mama, Papa und zwei Kinder bereits für insgesamt 50 Euro Platz. Auch die Hamburg Freezers werben mit einem besonderen Ticket um ihre Fans von morgen, ein Eishockeyspiel ist als Familienerlebnis zu viert ab 58 Euro zu haben.

Beim HSV betont man denn, dass die 97 Euro Ausnahme bleiben sollen. Abendblatt-Leserin Claudia Tripmacher hat bereits kapituliert: "Wir sind sehr traurig, unseren Kindern kein Livespiel ermöglichen zu können, sehen aber bei der Kartenpolitik keine Chance, diesen Zustand in absehbarer Zeit zu ändern."


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