Wie fühlt sich ein Mensch, wenn er beruflich vor seiner letzten Chance steht, und alle erwarten, dass er sie nicht nutzen kann? Luan Krasniqi lacht,

Düsseldorf/Hamburg. Wie fühlt sich ein Mensch, wenn er beruflich vor seiner letzten Chance steht, und alle erwarten, dass er sie nicht nutzen kann? Luan Krasniqi lacht, als er diese Frage hört, ein kurzes Lachen, das klingt als würde man einen Motor abwürgen, und sagt dann: "Ich fühle mich bestens!"

Am heutigen Sonnabend (23 Uhr, ZDF live) trifft der 37 Jahre alte Schwergewichts-Boxprofi im Düsseldorfer Burg Wächter Castello auf den Ukrainer Alexander Dimitrenko, der wie Krasniqi beim Hamburger Universum-Stall unter Vertrag steht. Dimitrenko ist elf Jahre jünger, neun Zentimeter größer (2,01 m) und 14 Kilogramm schwerer (116,5 kg) als sein Kontrahent, er hat von seinen 28 Profikämpfen keinen verloren und gilt beim Weltverband WBO als nächster Pflichtherausforderer für Weltmeister Wladimir Klitschko. Es dürfte einige Menschen geben, die einen Sieg Krasniqis für eine Überraschung halten würden.

Für Überraschungen allerdings war der "Löwe", der im Kosovo geboren wurde, aber Deutscher ist und seit seiner Jugend im schwäbischen Rottweil lebt, in seiner elf Jahre währenden Profilaufbahn immer gut, für positive und negative. Unvergessen ist seine Aufgabe im EM-Kampf gegen den Polen Przemyslaw Saleta im Juli 2002, als er, klar in Führung liegend, nicht mehr aus seiner Ecke kam, weil er sich konditionell nicht ausreichend vorbereitet fühlte. Rückblickend hält er es für eine Stärke, "dass ich immer wusste, wo meine Grenze ist". Den Spott der Kollegen hat er jedoch bis heute nicht vergessen.

Krasniqi ist ein Sportler, der Herausforderungen braucht, um zu Höchstleistung aufzulaufen. Seine schlechtesten Kämpfe hat er gemacht, wenn er wusste, dass die Gegner ihm nur hätten gefährlich werden können, wenn man sie vom Hallendach auf ihn heruntergestürzt hätte. Und seine besten Auftritte gab es zu bestaunen, wenn es mal wieder um den Fortbestand seiner Karriere ging. Krasniqi hat schon einige letzte Chancen gehabt, wie zum Beispiel im Februar 2004, als er in einem anderen Stallduell den Türken Sinan Samil Sam bezwang und sich so sein Bleiberecht bei Universum sicherte. Vielleicht ist er auch deshalb so bemerkenswert entspannt vor diesem Kampf. "Ich habe keinen Druck", sagt er, "ich kann doch nur gewinnen."

Ob er überhaupt noch eine letzte Chance erhalten würde, war lange unklar. 16 Monate ist es her, seit er das letzte Mal im Ring stand, und da er damals in der Color-Line-Arena wirklich nur stand und vom US-Amerikaner Tony Thompson verprügelt wurde , bis der Kampf in Runde fünf abgebrochen wurde, hatten viele schon mit dem Karriereende gerechnet. "Für mich war immer klar, dass ich mit so einer Leistung nicht abtreten konnte", sagt er. Die Aufarbeitung des Debakels brachte eine erstaunliche Erkenntnis: "Schlimmer kann es nicht kommen", sagte sich Krasniqi, bat seinen Manager Klaus-Peter Kohl um die Chance auf Rehabilitation, und weil er trotz häufiger Differenzen mit Kohl auf dessen geschäftliches Geschick vertraute, war ihm klar, "dass ich die Chance bekomme".

Nun ist sie da, und dass sie bei Universum eher Dimitrenko, der Zukunftshoffnung, die Daumen halten, kann Krasniqi verstehen. "Wenn ich Unternehmer wäre, würde ich genauso denken", sagt er. Nach dem Thompson-Debakel hatte er sich vom mittlerweile auch von Universum entlassenen Trainer Torsten Schmitz getrennt. Anfragen bei Fritz Sdunek und Michael Timm, mit dem er bereits zwischen 2000 und 2004 arbeitete, liefen ins Leere, und so hat er die nach eigenem Bekunden "beste Vorbereitung meiner Karriere" in seiner Heimat Rottweil mit Walentin Silaghi absolviert, seinem früheren Amateurtrainer. Ebenso immer an seiner Seite: Ex-Cruisergewichts-Weltmeister Firat Arslan, sein bester Freund und Trainingspartner. Weil Krasniqi zuletzt das Gefühl hatte, 27 statt 37 Jahre alt zu sein, kann man es fast als Drohung verstehen, wenn er sagt: "Ich brauche Tiefen, um Höhen zu erklimmen." Sollte nach der tiefsten Tiefe die höchste Höhe warten, hätte Dimitrenko tatsächlich ein Problem.

Den Traum vom WM-Titel hat Krasniqi noch immer nicht ausgeträumt. Am liebsten würde er noch einmal gegen Lamon Brewster boxen, den Mann, gegen den er am 28. September 2005, ebenfalls in Hamburg, seine einzige WM-Chance vergab, weil er einen Moment lang nicht aufpasste und prompt ausgeknockt wurde. Es war trotzdem sein wohl bester Kampf, und wenn er an diese Leistung anknüpfen würde gegen Dimitrenko, dann, so glaubt er, könnte es selbst im Falle einer Niederlage eine weitere letzte Chance geben. "Man weiß doch nie", sagt er.