Er wirkte bedacht und kontrolliert. Klaus Allofs wandelte mit einer Ruhe durch die Katakomben des nach dem 0:3 gegen Panathinaikos Athen längst...

Bremen. Er wirkte bedacht und kontrolliert. Klaus Allofs wandelte mit einer Ruhe durch die Katakomben des nach dem 0:3 gegen Panathinaikos Athen längst geleerten Weserstadions, die beinahe schon an die emotionslose Darbietung zuvor erinnerte. Anders als seine Mannschaft in den denkwürdigen 90 Minuten, suchte der Bremer Sportdirektor dann aber den Weg in die Offensive: "Wenn die Spieler in absehbarer Zeit einige Dinge nicht verstehen wollen, dann müssen wir uns von ihnen trennen."

Ein Satz, den man angesichts des Debakels gegen den in der Königsklasse bis dato seit über fünf Jahren auswärts sieglosen griechischen Vertreter nicht hatte ausschließen können. Doch die Bestimmtheit, mit der Allofs seine Worte trotz langfristig datierter Arbeitspapiere der Stammkräfte wählte, machte deutlich, dass es sich nicht um verbale Schnellschüsse im Anschluss an eine der größten Enttäuschungen seiner Amtszeit handelte. Die tiefen Risse, welche die einst heile Werder-Welt durchziehen, sind spätestens seit Dienstagabend für jedermann sichtbar geworden. Die grün-weiße Familie ist nicht mehr als eine Patchwork-Elf, behelfsmäßig zusammengeflickt und als Einheit lediglich durch die Trikotage erkennbar. "Es war deutlich zu sehen, dass wir nicht geschlossen dahinter stehen, was wir tun", so die schonungslose Analyse Per Mertesackers. Eine Einschätzung, die allerdings nicht nur auf das peinliche Auftreten gegen allenfalls solide Griechen zutrifft, sondern Allgemeingültigkeit besitzt.

Auch im Alltag Bundesliga wirken die Bremer immer häufiger wie eine Karikatur des spielstarken und optimal aufeinander abgestimmten Kollektivs der letzten Jahre. Den Spaßfußball spielen mittlerweile andere: die TSG Hoffenheim etwa oder auch Bayer Leverkusen, wie Werder bei der 0:2-Heimpleite schmerzlich feststellen musste. Wer den jüngsten 5:1-Erfolg gegen Hertha BSC als Wendepunkt einer bislang enttäuschenden Saison ausgemacht hatte, wurde drei Tage später eines Besseren belehrt. Wenn der Quell des Spielflusses nicht wie gegen Hertha, oder auch beim 5:2-Triumph am fünften Spieltag bei Bayern München sprudelt, verlieren die Bremer Spaßmusikanten schnell die Lust. Binnen weniger Takte wird von Dur in Moll gewechselt und Trübsal geblasen. Diego, der am höchsten veranlagte Virtuose des Ensembles, dient da als bestes Beispiel. Der Brasilianer, der mit seiner erzwungenen Olympia-Teilnahme, Disziplinlosigkeiten und Verspätungen für Schlagzeilen sorgte, lässt seine Genialität immer seltener aufblitzen.

Die Mannschaft von Trainer Thomas Schaaf fügt sich in ihr Schicksal. Ohne Inspiration, mit Alibi-Verhalten und ohne Willen, die Ärmel noch einmal hochzukrempeln. Es sind nicht die Ergebnisse, die Allofs bei seinen hoch bezahlten Profis vermisst - es ist die Einstellung. Führungsfiguren, die die Mannschaft mitreißen, fehlen. Kapitän Frank Baumann wird in seinem vielleicht letzten Werder-Jahr sicher kein Lautsprecher mehr, Tim Borowski wanderte nach München ab, Ivan Klasnic schießt seine Tore seit dem Sommer für den FC Nantes in Frankreich, und Torsten Frings entdeckte die Nebenkriegsschauplätze für sich. Neben der öffentlichen Kritik an Bundestrainer Joachim Löw hat der Nationalspieler die Schiedsrichter als Diskussionspartner auserkoren. Frings hadert, meckert, lamentiert.

Ein Vakuum an potenten Leadern, das den Verantwortlichen auch beim Blick in die Zukunft Sorgenfalten auf die Stirn treiben dürfte. Spätestens im Sommer müssen neue Kräfte her. Und anders als die in doppelter Hinsicht jüngsten Neuzugänge Özil (20), Boenisch (21), Prödl (21) und Husejinovic (20) benötigen Allofs und Schaaf nun Soforthilfe.

Dass ein Verein wie Werder Bremen das Geld für namhafte, gestandene Spieler in der Champions League verdient, macht die Sache da nicht leichter. An eine Qualifikation mag momentan ebenso niemand glauben, wie an Zusatzeinnahmen in dieser Saison. Zwei Siege, auf Zypern und gegen Inter Mailand, müssen her, um das Achtelfinale noch zu erreichen - und damit für den einen oder anderen Spieler die Zukunft in Bremen zu sichern.