Hammerwerferin Betty Heidler holte das zweite Gold für Deutschland - mit nur zwei Zentimetern Vorsprung.

Osaka. Für die Frau mit der Hose in Schwarz, den Haaren in Rot und der Medaille in Gold wurde der Spruch auf der Deutschland-Fahne zum Programm. "Betty, lass den Hammer fliegen" prangte in großen Lettern auf der Flagge, die Betty Heidlers Eltern im Stadion entrollt hatten. Und irgendwie sprang wohl vor den 30 000 Zuschauern im Nagai-Stadion das Feuer, das der Großvater bei Olympia 1936 in Berlin als Staffelläufer getragen hatte, auf die Tochter über.

Als der Hammer der kubanischen Olympiasiegerin Yipsi Moreno im letzten Versuch zwei Zentimeter hinter den goldenen 74,76 m der Olympiavierten gelandet war, als die Chinesin Wenxiu Zhang als letzte Werferin ihr Pulver verschossen hatte, da entlud sich die ganze Anspannung Betty Heidlers in einem Luftsprung. Sie umarmte erst Moreno, dann die Polin Kamila Skolimowska, die Vierte wurde, und es wirkte so, als wolle sie durch diese Geste deutlich machen: 2008 in Peking werde ich euch beiden als dritte Olympiasiegerin der Hammerwurf-Geschichte folgen.

"Das war heute mein Glückstag", waren die ersten Worte, die 23-Jährige ins Mikrofon hauchte. Zwei Zentimeter hatten entschieden, wie vor 35 Jahren bei Olympia in München beim legendären Speerwurf-Duell zwischen Klaus Wolfermann und dem Letten Janis Lusis. Doch es war neben Können auch Nervenstärke, die Betty Heidler auszeichnete. "Mein erster Wurf ging leider ins Aus. Doch ich war mir sicher, dass der zweite sitzt. Dann hatte ich bis zuletzt nur Angst vor dem Konter von Moreno." Deren letzter Wurf hatte ihr bei Olympia in Athen bereits Bronze entrissen.

Starke Arme hatte Betty Heidler schon immer, aber wenn es bei Großereignissen drauf ankam, hatte die Auszubildende der Bundespolizei oft schwache Nerven. Bei der WM 2005 in Helsinki war die deutsche Rekordhalterin (76,55 m) in der Qualifikation auf der Strecke geblieben. Grund genug, Hilfe zu suchen. Beim Europacup 2006 fruchtete die Zusammenarbeit mit der Sportpsychologin Heike Kugeler, die sie fünf- bis sechsmal im Jahr sieht, noch nicht. Doch in Osaka zeigte sie echte Wettkampfqualitäten.

"Das ist ergreifend. So eine Situation hat man nicht oft im Leben. Ein Moment, auf den man Jahre hofft", entfuhr es Trainer Michael Deyhle, der bereits 1999 mit Karsten Kobs Weltmeister war, in der Stunde des Triumphes. Für ihn hat "Betty bewiesen, dass sie zu den Besten gehört. Aber das war noch nicht alles, wir haben hohe Ziele", meinte der Coach, der seit fünf Jahren mit der Weltmeisterin arbeitet.

"Ich denke schon mal an den Weltrekord", hat Betty Heidler kürzlich gesagt - auch wenn die Marke der Russin Tatjana Lysenko bei 78,61 m steht. Vielleicht nicht mehr lange, der Dopingsuspendierung vor der WM kann die Aberkennung folgen. "Zwei Meter sind eine ganze Menge. Aber mein Optimum ist ganz sicher nicht erreicht", versichert Heidler, die trotz der Vorbereitung auf die Spiele in Peking ein Jura-Fernstudium aufnehmen will.

Lysenkos Tritt in die Dopingfalle muss für Russlands Star-Ensemble wie ein Schock gewesen sein. In Osaka brachte Jelena Konewzewa als Fünfte nur 72,45 m zustande. Ex-Weltrekordlerin Gulfina Chanafejewa war mit 69,08 im Vorkampf und Titelverteidigerin Olga Kusenkowa in der Qualifikation gescheitert. Deyhle ist sich sicher: "Die bringen bis Peking nach bekanntem Rezept wieder ein paar Neue nach vorn. Betty ist gewarnt, doch sie hat noch längst nicht alles gezeigt."