HAMBURG. Schlimmer hätte diese Woche für Rudolf Scharping kaum beginnen können. Erst wurde der Chef des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) von Jan Ullrich bei dessen flammender Rücktrittserklärung als "Schulterklopfer" und "Präsident ohne Leidenschaft" öffentlich abgewatscht. Wenig später platzte der von Scharping selbst zum Präzedenzfall hochstilisierte "Dopingfall Sickmüller" wie eine Seifenblase: Mit einer 16-seitigen Begründung wurde das Sportrechtsverfahren gegen den Hamburger Radprofi eingestellt.

Bereits bei der Anhörung vor dem BDR-Bundessportgericht am 8. Februar in Frankfurt am Main war deutlich geworden, dass die "eindeutige Beweislage" keineswegs "erdrückend" war, wie es die BDR-Spitze wochenlang in die Welt hinausposaunt hatte. Zwar waren seit Eröffnung des Sportrechtsverfahrens gegen Sickmüller wegen des Verdachts der Manipulation seiner Dopingprobe bei den deutschen Crossmeisterschaften Anfang Januar 2006 inzwischen drei Monate ins Land gegangen. Doch konnten in dieser Zeit keine neuen Indizien, geschweige denn Beweise gegen den 24-Jährigen vom ehemaligen Hamburger Stevens-Team gesammelt werden.

Schlimmer noch: Ihn entlastende Gesichtspunkte wurden einfach übersehen. So konnte Sickmüllers Anwalt Volker Koppitz nachweisen, dass es bei der Analyse der Probe im Antidopinglabor Kreischa offenbar zu Ungereimtheiten gekommen war. "Aus dem Protokoll ging hervor, dass das ursprüngliche Datum der Öffnung meiner Probe von einer zweiten Laborantin um einen Tag vom 17. auf den 16. Januar 2006 zurückdatiert worden war", erklärte Sickmüller. Noch kurioser war, dass Anwalt Koppitz das Gericht auf diese dubiose Korrektur bei der Anhörung erst aufmerksam machen musste. "In dem Institut wurde offenbar schlecht gearbeitet", sagte Koppitz dem Abendblatt. "Dass die Probe von Johannes vertauscht wurde, konnte nun nicht mehr ausgeschlossen werden."

Warum nach der Anhörung am 8. Februar noch einmal 18 Tage bis zur schriftlichen Begründung der Einstellung des Verfahrens verstrichen, ist für Koppitz schwer nachvollziehbar. "Die Passagen, die sich auf die Veränderung der Protokolldaten beziehen, sind für mich widersinnig", sagte Koppitz. Hier sei versucht worden, offensichtliche Fehler zu rechtfertigen. Deshalb prüft der Anwalt jetzt Schadenersatzforderungen gegen den BDR. Schließlich habe der Verband seine Fürsorgepflicht gegenüber den Athleten sträflich vernachlässigt. Sickmüller hatte den ihm durch das Verfahren entstandenen Schaden auf eine fünfstellige Summe beziffert.