HAMBURG. Jockeychampion, also Deutscher Meister, ist, wer die meisten Rennen des Jahres gewinnt. 2005 war das nach monatelangem, heldenhaften Kampf mit seinem aus Holland stammenden Kollegen Adrie de Vries der Tscheche Filip Minarik, der dafür gestern im Hamburger Rathaus noch einmal Huldigungen und reichlich späten Lorbeer in Empfang nehmen durfte.

Im Derby aber sitzt Minarik auf einem Außenseiter: Sadler's Star. Beinahe wäre der 31jährige leer ausgegangen, nun darf er mitreiten und auf ein Wunder hoffen.

Wie kommt so etwas? Warum hat der Championjockey, Reiter der vorjährigen Wunderstute Gonbarda, nicht die Auswahl zwischen mindestens drei aussichtsreichen Rittangeboten, besonders dann, wenn er, wie Minarik, mit dem dominierenden Stall von Peter Schiergen verbunden ist und sogar als Liebling des Trainers gilt?

Filip Minarik, Sohn eines dreifachen tschechischen Championjockeys und Trainers, Bruder eines Galopptrainers, Jockey mit Abitur, amtierender Deutscher Champion mit Berufserfahrung aus Frankreich, Florida, Singapur und Macau, ehrgeizig, energiegeladen, couragiert und fleißig sowie hinter einer guten Tarnung auch intelligent, ist der Kunst der Selbstinszenierung und -vermarktung nicht teilhaftig.

So kommt es, daß er bei Schiergen reitet, ohne einen Stalljockeyvertrag mit dem Trainer oder dessen größten Besitzer, Gestüt Schlenderhan, in der Tasche zu haben. "Ich bin der Mann für alles", sagt der Prager gleichzeitig traurig und selbstbewußt. Bloß nicht für gescheite Derbyritte offenbar.

Wie gut er als Jockey ist, weiß Minarik angeblich selbst nicht. Bei der Championatsfeier am Jahresende tröstete er seinen unterlegenen Widersacher de Vries: "Er ist wahrscheinlich der bessere Jockey. Ich war nur fleißiger." Im Rennen liebt er es, ohne strikte Order zu reiten, selbst entscheiden zu dürfen. "Am liebsten warte ich ganz lange bis zum Angriff. Manchmal kommt man dann natürlich zu spät und sieht dumm aus." Sein Vorteil: "Ich sehe jedes deutsche und viele internationale Rennen. Ich kenne jedes Pferd." Das hat schon andere weit gebracht.

Viele Interessen außer Rennreiten hat einer wie Minarik nicht. "Für mich ist es die Höchststrafe, wenn es keine Rennen gibt oder ich gesperrt bin." Dabei hat ihm eine neunmonatige Sperre nach einem Rennen in Halle einst auf den rechten Weg geholfen: "Ich hatte damals nur Unsinn im Kopf. In der Pause bin ich vor allem für ein halbes Jahr in die USA gegangen, habe mir da den Rennsport angesehen und über meine Rolle nachgedacht. Ohne diese Neuorientierung wäre ich heute nicht Champion, sondern weg vom Fenster."

Mit seinen Einkünften als Mann für alles will er sich ein Polster erwerben. "Mein Vorbild ist Hein Bollow. Der kann interessiert, aber entspannt, den Rennsport begleiten und ist materiell abgesichert."

Wahrscheinlich ist das ein erstrebenswertes Leben. Für einen 31 Jahre alten Jockey vorerst aber wohl ein bißchen zu ruhig.