Rad: Spanischer Dopingskandal überschattet Start der Tour de France. Beide Topfavoriten finden sich auf der Liste der Kunden des angeklagten Arztes Eufemiano Fuentes - Tour-Leitung steht vor folgenschwerer Entscheidung.

Straßburg/Hamburg. Die 93. Tour de France steht offenbar kurz vor dem Super-GAU. Wenn es stimmt, was gestern der stets gut informierte spanische Radiosender "Cadena Ser" vermeldete, droht der Frankreich-Rundfahrt noch vor ihrem Start am Sonnabend in Straßburg der Verlust ihrer beiden Topfavoriten Jan Ullrich und Ivan Basso.

Im 500 Seiten umfassenden Untersuchungsbericht zur spanischen Dopingaffäre um den Mediziner Eufemiano Fuentes sollen sich auch die Namen der Kapitäne der Teams T-Mobile und CSC finden. Bestätigen sich diese Informationen, droht Ullrich und Basso der Tour-Ausschluß. Das gilt auch für T-Mobile-Profi Oscar Sevilla, Francesco Mancebo, Juan-Antonio Flecha, Joseba Beloki (alle Spanien), Giovanni Lombardi (Italien) und Denis Mentschow (Rußland), die von ihren Teams ebenfalls für die Tour gemeldet worden waren. Insgesamt wurden zwölf der insgesamt 58 involvierten Fahrer namentlich genannt. "Die Quelle scheint sicher zu sein. Wir müssen jetzt überlegen, was unser nächster Schritt ist. Wir haben Jan und Oscar nochmal befragt. Beide bleiben bei ihren Aussagen, nichts mit der ganzen Sache zu tun zu haben", sagte T-Mobile-Kommunikationschef Christian Frommert.

Auf dem Weg zur Tour-Präsentation reagierte Ullrich gestreßt auf die bohrenden Fragen bezüglich der neuesten Doping-Enthüllungen: "Ich habe meiner Aussage nichts hinzuzufügen. Zu diesem Thema habe ich alles gesagt. Es ist belastend, wenn man zur Tour kommt und so bestürmt wird".

Aussagen der Tour-Leitung, wonach sich die Teamchefs auf einer Sitzung bereits geeinig hätten, alle auf der Liste stehenden Fahrer von der Tour abzumelden, wollte T-Mobile-Teamleiter Rudy Pevenage so nicht bestätigen: "Davon weiß ich nichts. Ich war auf keiner solchen Sitzung."

Schon vor der konkreten Namensnennung hatte das große Zittern in Straßburg begonnen. "Alle sind total aufgeregt", sagte der sportliche Leiter des Teams Milram, Ex-Telekom-Profi Jan Schaffrath. Unterdessen hatte Ullrich bekräftigt, er werde vorerst keine Haarprobe für einen DNA-Test abgeben: "Ich bin ja nicht angeklagt. Also werde ich das in Ruhe mit meinen Anwälten abklären, aber erst nach der Tour de France. Jetzt konzentriere ich mich erstmal voll aufs Rennen."

Am Morgen hatte sich die französische Regierung eingeschaltet, um eine Skandal-Tour wie bei der Festina-Affäre 1998 mit aller Macht zu verhindern. Sportminister Jean-Francois Lamour bat Spaniens Sport-Staatssekretär Jaime Lissavetzky dringend um schnelle Aufklärung "möglichst noch vor dem Prolog, damit die Tour sauber starten kann".

Der 500 Seiten umfassende Untersuchungsbericht war von den Ermittlern am Mittwoch abgeschlossen worden. Am 23. Mai hatte die Guardia Civil in Madrid zahlreiche Beweismittel beschlagnahmt, darunter auch Blutkonserven mit der Aufschrift "Jan" sowie Notizen mit dem Code "Hijo Rudicio" (Rudis Sohn), die Ullrich und Pevenage zugeordnet wurden. Zwar gibt es auch andere Radprofis mit dem Vornamen Jan (Hruska, Kirsipuu, Svorada), keiner von ihnen aber hat einen "Rudi" an der Seite.

Im ARD-Fernsehen räumte Ullrich zum ersten Mal ein, die Angriffe auf ihn hätten "meine Moral getroffen" und seien Auslöser für seinen vorzeitigen Ausstieg beim Giro d'Italia gewesen. Die Beschuldigungen seien aber völlig ungerechtfertigt: "Allein in diesem Jahr bin ich bereits neunmal Trainingskontrollen unterzogen worden, dreimal so oft wie im letzten Jahr. Ich habe nichts zu verbergen und mit dem Fall in Spanien absolut nichts zu tun."

Nicht am Start ist Jörg Jaksche. Der 29jährige Ansbacher reiste gestern wegen seiner Grippeerkrankung ab. Für ihn wäre es die neunte Frankreich-Rundfahrt gewesen. "Teamleitung und Arzt waren der Meinung, daß es keinen Sinn macht. Ich habe die Erkältung von der Tour de Suisse wohl zu lange verschleppt und muß noch täglich Antibiotika nehmen."

Wenige Stunden nach Jaksches Abreise konnten seine um das Tour-Startrecht bangenden Astana-Teamkollegen dennoch aufatmen. Der internationale Sportgerichtshof CAS erteilte dem Team von Kapitän Alexander Winokurow doch noch das zuvor verweigerte Startrecht und wies somit den Antrag des Tour-Veranstalters ASO auf Ausschluß ab.