Szenen und Geschichten rund um die Schwergewichts-Gala

Normalerweise sieht Alexander Dimitrenko nach seinen Kämpfen genauso aus wie vorher, so überlegen führt der 23jährige Ukrainer in der Regel seine Faustgefechte. Deshalb hätte am Mittwochabend ein Blick in sein schwer gezeichnetes Gesicht schon gereicht, um zu wissen, daß er sich gegen den US-Haudegen Vaughn Bean weitaus schwerer getan hatte als erhofft. Noch vier Stunden nach seinem letztendlich verdienten, aber knappen Punktsieg über zehn Runden war der Zweimetermann aber, entgegen seiner sonst so besonnenen Art, wütend auf seinen Kontrahenten. Grund waren zwei derbe Tiefschläge, die Dimitrenko dort getroffen hatten, wo es einem Mann am heftigsten schmerzt. "Der Typ hat sich noch nicht einmal entschuldigt. Sein Betreuer sagte mir nur als Ausrede, Bean würde keine Weißen mögen." Daß er mit seinem 20 Zentimeter kleineren Herausforderer nicht zurechtkam und vor allem seinen Jab stets zu hoch ansetzte, gab Dimitrenko unumwunden zu. Doch trotz seines wenig überzeugenden Auftritts hofft er nun auf eine EM-Chance im kommenden Jahr. "Das wäre super." Zunächst jedoch wartet im Oktober eine ganz andere Herausforderung: In Kiew legt er die Examensprüfung ab, um sein Jurastudium abzuschließen.


*

Die Zeit der internen Duelle ist angebrochen, weil die beiden Hamburger Profiställe Universum und Spotlight Personal abbauen wollen. Motto der Kollegen-Keilerei: Nur der Sieger darf bleiben. Nachdem der Armenier Bagrat Ohanyan (Universum) und der Russe Valery Tschetschenew (Spotlight) sich und das Publikum sechs Runden gequält hatten, gab es für die meisten Beobachter jedoch nur ein mögliches Urteil: Beide sollten gehen.


*

Zwei, die bleiben dürfen, sind Denis Boytsov und Ruslan Chagajew . Letzterer bot gegen den heillos überforderten Brasilianer Jocimar Hipolito eine boxerisch hervorragende Vorstellung. Der Usbeke, der wegen der Unruhen in seiner Heimat lange pausiert hatte, zeigte sich fintenreich, beweglich, schlagstark und beendete mit zwei brachialen Niederschlägen das ungleiche Duell schon nach 51 Sekunden der ersten Runde. Für Begeisterungsstürme sorgte jedoch Boytsov. Das 19 Jahre alte Supertalent aus Rußland schlug seinen 20 Jahre älteren ungarischen Widersacher Janos Somogyi ebenfalls in der ersten Runde zweimal zu Boden, stellte durch den neunten vorzeitigen Sieg im neunten Profikampf erneut seinen "Killerinstinkt" zur Schau. "Das ist ein guter Mann", sagte der jüngst aus der Haft entlassene Supermittelgewichtler Jürgen Brähmer , den als größtes deutsches Boxtalent selbst diese Mentalität auszeichnet. Und Francisco Valcarcel , Präsident des Weltverbandes WBO, sagte: "Boytsov ist in zwei, drei Jahren Weltmeister." Den nächsten Boytsov hat Universum indes schon an der Angel. Ein 17jähriger Russe, dessen Name noch geheim bleiben soll, war am Mittwoch in Hamburg zu Gast. "Der hat mit 17 schon 120 Kilo und ist eine echte Granate", so Universum-Chef Klaus-Peter Kohl .


*

Verstärkung ist auch für Spotlight in Sicht. Der erfolgreichste deutsche Amateur der vergangenen Jahre, Federgewichtler Vitali Tajbert , soll kurz vor einer Vertragsunterschrift beim Stall von Dietmar Poszwa stehen. Der Europameister sagte bereits seine Teilnahme an der an diesem Wochenende stattfindenden deutschen Meisterschaft sowie an der WM Mitte November in China ab. "Ich bin seit langem mit Vitali in Gesprächen, aber er hat Angebote aus der ganzen Welt. Ich glaube erst, daß er kommt, wenn ich seine Unterschrift unter einem Vertrag habe", so Poszwa.


*

Ein mehr als mäßiges Profidebüt gab Poszwas Hoffnungsträger aus Afrika, der Nigerianer Gbenga Oluokon . Zwar besiegte er den ausschließlich mit erhobener Doppeldeckung agierenden Tschechen Vlado Szabo über vier Runden nach Punkten, zeigte jedoch nicht einmal eine der Kombinationen, die ihm seinen Kampfnamen "Bang Bang" eingebracht haben. "Er hat sich schwer getan, der Gegner war unbequem, weil er nur geschoben und nicht geboxt hat", erklärte Trainer Chuck Talhami , dem klar geworden sein dürfte, daß viel Arbeit wartet.