Champion Lamon Brewster begeisterte auch die Deutschen

HAMBURG. Nach seiner Ringschlacht mit Luan Krasniqi hatte Lamon Brewster wohl gedacht, er hätte den härtesten Teil des Abends überstanden. Doch weit gefehlt: Als er gegen zwei Uhr am Donnerstag morgen nach Absolvieren der Pressekonferenz und quälend langer Dopingkontrolle - weil er stark dehydriert war, dauerte es, bis das Wasser lief - die VIP-Party im Restaurant "On Stage" in den Katakomben der Color-Line-Arena aufsuchte, um noch einen Happen zu essen, ging der Kampf erst richtig los. Der alte und neue WBO-Weltmeister im Schwergewicht, begleitet von Ehefrau Juana und seinem Bodyguard "Big John", bekleidet mit Trainingshose, weißem Unterhemd und einer Camouflage-Kappe, mußte pausenlos Autogramme schreiben und mit begeisterten Fans für Foto- und Filmaufnahmen posieren.

Der 32jährige US-Amerikaner ertrug den erdrückenden Trubel mit stoischer Gelassenheit; mehr noch, er blieb stets freundlich und erfüllte jeden Wunsch. Es war ein Auftritt, der eines Weltmeisters in allen Belangen würdig war. Brewster hat durch sein faires, offenes Wesen in Deutschland neue Fans gewonnen, sich den Respekt aller erarbeitet. Es war eine bewegende Szene, als er auf der Pressekonferenz zunächst seinen Gegner in den Arm nahm und ihm für den Kampf dankte. Und es war ihm ein dringendes Bedürfnis, sich für die Tiefschläge zu entschuldigen, die Krasniqi in der vierten Runde arg zugesetzt hatten. "Ich bin ein sauberer Kämpfer, Luan, ich bitte dich, mir zu glauben, daß diese Tiefschläge keine Absicht waren", flehte er. Da mochte niemand mehr böse sein.

Brewster hat die zehn Tage Aufenthalt im Hamburger Hotel Atlantic sehr genossen: "Ich möchte mich bei den Deutschen für die Gastfreundschaft bedanken, die ich erleben durfte. Es war wunderschön hier, ich würde gern wiederkommen", sagte er, und es war keins dieser stereotpyen Klischee-Statements, die man US-Amerikanern gern unterstellt. Brewster meint die Dinge, die er sagt, ernst.

Deshalb darf sich Krasniqi auch sicher sein, daß die Aussage gilt, die sein Bezwinger hinsichtlich eines Rückkampfes tätigte: "Ich würde noch einmal gegen Luan antreten. Bedingung ist, daß die finanzielle Seite stimmt. Dann können wir reden." Krasniqi konterte direkt mit dem Angebot, er würde auch nach Kalifornien reisen und Brewster in dessen Heimat Los Angeles boxen. Brewsters Trainer Jesse Reid riet Krasniqi jedoch, sich einen anderen Gegner zu suchen: "Lamon wird mit jedem Kampf stärker. Ich kann Luan nicht empfehlen, noch einmal gegen ihn anzutreten. Er würde schneller liegen."

Der erste Teil der Einschätzung ist durchaus korrekt. Brewster hat sich in der Zeit, in der er den Titel hält, boxerisch enorm verbessert, er hat ein hohes Maß an Selbstvertrauen aufgebaut, was gepaart mit seinem enormem Kämpferherz eine schier unüberwindbar scheinende Hürde darstellt. Reid und auch Brewsters Promoter Don King liebäugeln nun für die anstehende freiwillige Titelverteidigung mit einem Vereinigungskampf mit WBC-Champion Vitali Klitschko. "Gegen Wladimir haben wir uns den Titel geholt, jetzt wollen wir auch seinen Bruder", sagt Reid. Auch zu einem Rematch mit Pflichtherausforderer Wladimir, der nach seiner Niederlage gegen Brewster im April 2004 wilde Verschwörungstheorien aufgestellt hatte, sei man bereit. "Gebt uns Wladimir morgen, wir knocken ihn wieder aus", tönte King.

Brewster sitzt bei derlei Verbalattacken nur lächelnd daneben. Er ist kein Freund großer Worte. Er ist bereit für jede Herausforderung, denn er hört nur auf einen: "Gott wird mich führen, was er für mich bereithält, werde ich annehmen", sagt er. Heute will er seinen Besuch im US-Truppenstützpunkt Landstuhl nachholen, den er vor dem Kampf abgesagt hatte. "Ich bin das den Jungs schuldig", sagte er. Anschließend geht es zurück in die USA, wo seine drei Kinder schon warten. Ihnen, seiner Ehefrau und seiner Mutter Pam, die ihn zum Boxen gebracht hatte, widmete er seinen Sieg: "Sie sind mein Antrieb."